Montag, 31. August 2015

Nadine Gordimer: Der Besitzer

Man Booker Prize Gewinnerin 1974

Mehring ist ein erfolgreicher Manager in Südafrika zur Zeit der Apartheid. Aus Prestigegründen erwirbt er eine Farm vor den  Toren von Johannesburg. Er fühlt sich wohl als Großgrundbesitzer. Er hat den Anspruch, auch in der Landwirtschaft ähnlich erfolgreich zu sein wie bei seiner Tätigkeit als Manager. Da er keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht hat, ist er auf die Unterstützung seiner farbigen Arbeiter ("Boys") angewiesen. Eines Tages wird auf dem Farmgelände eine Leiche gefunden. Wer war dieser Farbige und unter welchen Umständen ist er zu Tode gekommen?  Beides Fragen, die den Leser bis zum Ende des Romanes beschäftigen werden, womit er jedoch der Einzige ist, der nach den Hintergründen fragen wird. Denn von den Protagonisten interessiert sich keiner für den Toten und dessen Schicksal.
"Viele gutverdienende Geschäftsleute aus der Stadt kaufen sich auf einer gewissen Stufe ihrer Karriere eine Farm - die Verluste sind steuerabzugsfähig, und das fällt mit einem anderen, weniger handgreiflichen Privilieg zusammen: diese Männer können es sich leisten, sich die Sehnsucht nach dem Landleben zu erfüllen, die gutverdienenden Leuten, die ihr Geld in der Wirtschaft machen, angeboren zu sein scheint." (S. 23)



Anfangs hat mich das Buch doch sehr irritiert. Die Farbigen in dem Buch werden als minderwertig dargestellt und wirken völlig überzeichnet. Das Bild, das sich mir aufgedrängt hat, war fast schon klischeehaft. Dadurch habe ich mich gefragt, wie ein Roman mit einem derart rassistischen Menschenbild eine literarische Auszeichnung erhalten konnte. Doch je tiefer man in die Handlung eintaucht, umso mehr versteht man die Ironie, mit der Nadine Gordimer, die übrigens 1991 den Literaturnobelpreis erhalten hat, ihre Charaktere darstellt.

Für den Hauptcharakter Mehring kann man nur Antipathien entwickeln. Er ist arrogant und fühlt sich jedem überlegen - egal welcher Hautfarbe. Sein Frauenbild ist dermaßen chauvinistisch geprägt, dass es fast schon wieder amüsant ist. Er fühlt sich wohl als Großgrundbesitzer. Seine Farm ist sein Königreich, seine Gefolgschaft sind seine "boys". Wenn es nach ihm ginge, würde seine rassistische Welt bleiben wie sie ist. Im Verlauf der Geschichte gibt es immer wieder Rückblicke auf Episoden seiner Vergangenheit. Die tragen jedoch nicht dazu bei, dass man das Auftreten von Mehring versteht. Der Mann ist ein Rassist, der sich nicht bekehren lässt. Beim Zusammenspiel zwischen Mehring und seinen boys treffen Mehring's Überheblichkeit und eine übertriebene Unterwürfigkeit der Farbigen aufeinander - wieder ein Indiz für Nadine Gordimer's Ironie. Denn als Leser wird man den Eindruck nicht los, dass tatsächlich die Farbigen die wahren Herrscher auf der Farm sind. 

Der Sprachstil in dem Buch hat mir sehr gut gefallen, weil dem Leser sehr intensive Stimmungen vermittelt werden. So stelle ich mir das Südafrika der Apartheid vor: heiß, dreckig, brutal - also ein Bild, das nichts mit dem sauberen, entspannten Südafrika gemein hat, welches man z. B. von der letzten Fußball-WM in Erinnerung hat. 
"Wenn der Augustwind kommt, wirbeln Tausende von Papierschnitzeln durch die Luft und bleiben am Zaun der Siedlung hängen. Die zusammengewürfelten Kleidungsstücke der Kinder und alten Leute, die den Abfallhaufen durchwühlen, werden an ihre Körper gepresst oder von ihnen weggeblasen. Manchmal ist der Wind so stark, dass er Bretter und sich überschlagende Kisten vor sich hertreibt, die über die Straße schlittern und gegen den Zaun geschleudert oder von Autorädern plattgedrückt werden wie überfahrene Hunde und Katzen..... Die Müllwühler sind geduldig - ob faul oder schwach, ist im Vorbeifahren schwer zu beurteilen - und ihre nackten Beine und Füße und die Hände, mit denen sie den Abfall durchsuchen, sind mit Asche grau überzogen." (S. 99)
Einzig die abrupten Wechsel der Erzählperspektiven habe ich als störend empfunden. Es gibt selten eine klare Abgrenzung zu der jeweils vorherigen Perspektive, so dass ich mich oft gefragt habe, aus wessen Sicht die Geschichte gerade erzählt wird. 

Mein Fazit: Insgesamt ein gewöhnungsbedürftiges Buch, bei dem ich mehrfach überlegt habe, es abzubrechen. Mehring, seine Arroganz und sein Rassismus, bewirken, dass man sich beim Lesen ärgert. Allein, die Frage nach dem anfangs erwähnten toten Farbigen auf Mehring's Grund, hat mich bewogen, das Buch doch bis zum Ende zu lesen - wobei mich das Ende des Buches mit vielen Fragezeichen zurück gelassen hat.


© Renie


Der Besitzer
Autorin: Nadine Gordimer
Die deutschsprachige Erstausgabe erschien 1977 im Claassen Verlag GmbH, Düsseldorf.
Ich habe das Buch in der Ausgabe (1989) vom S. Fischer Verlag GmbH gelesen.
ISBN 3-10-027012-6

Freitag, 28. August 2015

Mikkel Birkegaard: Die Bibliothek der Schatten



Ein solider Thriller ums Lesen, und was  das Lesen bewirken kann. 

Quelle: Goldmann


Der Verlag über das Buch:

Dass Bücher mehr vermögen, als nur Geschichten zu erzählen, war Luca Campelli schon lange bewusst. Als er an diesem Abend in seinem Antiquariat zu lesen beginnt, spürt er ihre magische Kraft – wenig später ist er tot. Sein Sohn Jon tritt das Erbe nur widerwillig an, als er Unglaubliches erfährt: Luca Campelli war der Kopf einer geheimen Gesellschaft, die die Macht der Bücher zu nutzen weiß, und er hat sich gefährliche Feinde gemacht ... (Quelle: Goldmann)

Die Idee dieses Buches ist für jeden Bibliophilen ein Traum: es geht um Geheimgesellschaften in der Welt der Bibliotheken und Antiquariate, deren Mitglieder ganz spezielle Fähigkeiten beim Lesen entwickeln.

"'Ich bin mir durchaus bewusst, dass ihr mich bereits in Dinge eingeweiht habt, die streng geheim sind....Wenn man denn daran glauben will, wozu ich aber wohl gezwungen bin. Aber ich spüre dass da noch mehr ist. Ihr habt selbst betont, wie wichtig es ist, dass ich das Ganze verstehe, aber wie soll ich das können, wenn ihr mir nicht alles sagt?'" (S. 85)

Anfangs hat mich das Buch gefesselt. Ein mysteriöser Todesfall in einem Antiquariat, inmitten kostbarer Bücher. Als sich dann im Verlauf der Handlung die Idee um die bibliophilen Geheimgesellschaften entwickelt, war ich hin und weg. Dementsprechend hoch war natürlich meine Erwartungshaltung, was den weiteren Verlauf der Handlung anging. Nachdem ich das erste Drittel gelesen hatte, musste ich leider feststellen, dass der Autor "sein Pulver verschossen" hatte. Irgendwie hat er es nicht mehr geschafft, das hohe Niveau zu halten. Die Handlung wurde vorhersehbar, die Charaktere wurden berechenbar, weitere Überraschungen blieben aus.

Da mich der Anfang so begeistert hatte, habe ich noch bis Seite 200 mit mir gerungen, ob ich das Buch abbrechen soll. Als dann die obligatorische Liebesbeziehung zweier Hauptcharaktere, ihren Anfang nahm, war für mich der Punkt erreicht ...

© Renie


Die Bibliothek der Schatten
Autor: Mikkel Birkegaard
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-46928-4


Der Verlag über den Autor:
Mikkel Birkegaards Roman »Die Bibliothek der Schatten« wurde in Dänemark gleich nach Erscheinen zum Bestseller. Die Übersetzungsrechte wurden bis jetzt in 17 Länder verkauft, und die Filmrechte erwarb die renommierte Produktionsfirma Nordisk Film. Dabei hatte der Computerprogrammierer nicht einmal einen Agenten und hat sein Manuskript unverlangt an mehrere Verlagshäuser geschickt. Schnell sicherte sich daraufhin der dänische Verlag Aschehoug die Weltrechte an dem vielversprechenden Debüt. Mikkel Birkegaard lebt in Kopenhagen, wo er bereits an seinem nächsten Roman arbeitet.
(Quelle: Goldmann)

Montag, 24. August 2015

Karl Heinz Wesemann: Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod?

Ein Buch, über ein Genre-Mix, den man auf diesem Blog nicht besonders häufig finden wird.....

Ich bin immer wieder erstaunt, welche "Schätzchen" sich auf meinem EReader befinden, bei denen ich auch oft nicht mehr weiß, warum ich sie überhaupt heruntergeladen habe. So auch bei diesem: ein Historienroman, in dem auch Zombies unterwegs sind. Anfangs fühlte ich mich an die Zombiefilme der 70er Jahre erinnert, wobei es nicht nur mir so ging, sondern auch Ellie, einer der Hauptcharaktere in dem Buch:
"Wiederkehrer, die nach dem Tod auferstehen und Jagd auf Mensch und Tier machen. Sie kam sich vor wie in einem Film. Und noch nicht einmal in einem guten. In der 70ern war es eine Zeit lang cineastisch In gewesen, Filme über Untote zu drehen. Und jeder noch so dämlich klingende Titel war gut genug für die Vermarktung gewesen, Hauptsache war, dass er das Wort ZOMBIE enthielt. Auch wenn weder der Originaltitel, noch der Film etwas damit zu tun hatte." (S. 290)

Man darf das Buch jedoch nicht auf das Zombie-Thema reduzieren. Denn tatsächlich steckt viel mehr darin.
Das Buch beginnt in der heutigen Zeit: Ellie und Gerd sind Archäologen. Bei ihren Forschungen in einem Kloster im Rheinland, entdecken sie eine Kammer in der unzählige Pergamente und Bücher aus der Zeit um 1350 gelagert sind. Ellie befasst sich zunächst mit den Schriftstücken, wohingegen Gerd sich weiter mit der Beschaffenheit der Kammer befasst. Unter den Schriftstücken befindet sich das Testament des Priesters Amadeus, der in der damaligen Zeit gelebt hat. Darin berichtet er Unglaubliches: dass damals die Pest gewütet hat, ist allgemein bekannt. Aber, dass das Land auch gleichzeitig von Untoten heimgesucht worden ist? Ellie kann es nicht glauben. Sie befasst sich ausgiebig mit Amadeus' Testament. Dabei taucht sie (und der Leser) in seine Welt ein und erlebt die Geschehnisse der damaligen Zeit mit seinen Augen. 
"Das ohnehin harte Leben dieser Zeit, in der die Versorgung mit dem Nötigsten einen grroßen Teil der eigenen Lebenszeit in Anspruch nahm, wurde noch härter durch den Tod, der in so vielfältiger Form nach ihnen griff. Nicht nur dass Winter, Hunger, Räuberbanden und Kriege einem das Leben zu verkürzen wussten, hinzu kamen die Edlen, die ihren Stand teilweise auf übelste Art ausnutzten und sich selbst eine Lebensweise genehmigten, die sie dem niederen Volk absprachen..... Und nun, als wäre das nicht schon genug, schlichen die Wiederkehrer umher und trachteten den Menschen nach dem Fleisch." (S. 497)

In der Zwischenzeit befasst sich Gerd mit der Kammer, wobei er eine weitere Entdeckung macht, die unglaublich zur Spannung dieses Romanes beiträgt.
Die Handlung wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit, wird einmal aus der Sicht von Ellie und Gerd erzählt und dann wieder aus der Sicht von Amadeus. Sehr schön ist hierbei, dass der Autor viele Begriffe aus der damaligen Zeit im Altdeutschen belassen hat, die aber mittels Fußnote in einer sehr ansprechenden und informativen Weise erklärt werden. Hier sind 2 Beispiele:
Hag - Meist dornige Hecke (wie Hagebutte, Schwarzdorn oder Buche etc.) als Einfriedung eines Geländes - daher auch "behaglich" fühlen = sicher fühlen
Goldgräber - Blumige Bezeichnung für Leute, die Exkrementgruben ausschaufelten

Anfangs kritisch - Zombiethriller gehören nicht zu meinem bevorzugten Genre - war ich froh, dass ich dem Buch eine Chance gegeben habe. Beim Lesen ging es mir wie Ellie: Die Handlung entwickelt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Je länger man sich mit dem Buch beschäftigt, umso spannender wird es. Zum Ende kann man es nicht mehr aus der Hand legen. Und gerade mit dem Ende hat der Autor nochmal "eine Schippe draufgelegt".

Eines noch: Das Buch ist nichts für zarte Gemüter. Die Zombie-Fressorgien sind schon ekelig. Ein paar Zombieszenen weniger hätten dem Buch sicher nicht geschadet.

©Renie


Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod?
Autor: Karl Heinz Wesemann
Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform (28. Januar 2014)
ISBN: 978-1495255151

Thommie Bayer: Die kurzen und die langen Jahre

Die kurzen und die langen Jahre
erhältlich bei Fischers Bücherstube

Nach dem Mord an seinem Vater will Simon (Ich-Erzähler) dessen Waldhütte auflösen, in der sein Vater die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat. Dabei lernt Simon die exzentrische Sylvie kennen. Sylvie war mit Konrad verheiratet, der ebenfalls bei dem Verbrechen zu Tode kam. Konrad und Simons Vater hatten ein Verhältnis miteinander.

Simon und Sylvie sind sich von Anfang an sympathisch. Trotz des Altersunterschieds zwischen den beiden - Simon ist 22, Sylvie ist 30 - verspüren sie so etwas wie Seelenverwandtschaft. Simon möchte mehr, als Sylvie's Freund sein. Doch sie hält ihn auf Distanz, da sie Angst hat, dass sich durch eine Beziehung zu viel verändern könnte, und sie dadurch in ihm einen guten Freund verlieren würde.

"'…. und mit dir würde ich schon deshalb nichts anfangen, weil ich dich nicht verlieren will.' Ich schwieg. Das war eine Liebeserklärung, wenn auch nur platonisch, und ich musste schlucken, weil ich für einen Augenblick so glücklich darüber war, dass ich mein frustriertes Schmollen nicht mehr fortführen konnte."
Simon hilft Sylvie, über die Trauer und den Schmerz hinwegzukommen. Der Gedanke, dass Konrad, ihr Ehemann, schwul war, macht ihr sehr zu schaffen, zumal er die große Liebe ihres Lebens war.

Da die beiden anfangs in unterschiedlichen Städten wohnen, fangen sie an, sich Briefe zu schreiben - handschriftlich oder mit der Schreibmaschine. Spätestens an dieser Stelle begann für mich ein Trip in meine Jugendzeit. Die Geschichte spielt hauptsächlich in den 70er Jahren: VW Käfer, Simca, Palästinensertücher, Telefonzellen, RAF, sexuelle Revolution, Abtreibung in Holland, Straßenschlachten etc. etc.
In dieser Zeit war ich selbst als Jugendliche mit Schlaghose und Parka unterwegs. Daher kamen ganz viele Erinnerungen hoch, so dass mir das Buch richtig Spaß gemacht hat.
"In unseren Kreisen war es selbstverständlich zu verweigern, Pazifist zu sein, die Bundeswehr als einen Haufen von Nazis anzusehen, und nur die allersimpelsten Gemüter vom Land wussten das nicht. Es war Mode, sich als Außenseiter zu empfinden, den Staat, die Industrie, Amerika (außer den Musikern) zu hassen, alle Argumente gegen den Kommunismus für rechte Propaganda zu halten und Leute wie Castro für Helden."
In den 70ern war Thommie Bayer als Liedermacher bekannt. Seine Erfahrung mit der Musikbranche spiegelt sich auch in diesem Buch wider. Simon arbeitet in einem Musikgeschäft und verkauft Musikinstrumente. Darüber hinaus ist er als Klavierstimmer unterwegs. Sein bester Kumpel Manni spielt Gitarre und wird mit der Zeit zum Rockstar.

Die erste Hälfte des Buches spielt in den 70ern. Mit Beginn der 80er werden die Kapitel kürzer, die Handlung wechselt ständig und wird sprunghaft. Man hat den Eindruck, dass mit Beginn der 80er die Zeit für Simon anfängt zu rasen. Daher erklärt sich für mich auch der Titel. "Die langen Jahre" sind eindeutig die 70er, danach kommen "die kurzen Jahre", in denen auch Simon und Sylvie keinen Kontakt zueinander haben, aber trotzdem aneinander denken.
"Wie schnell und unbeachtet die Zeit vergehen kann, lernt man mit zunehmendem Alter."
An diesem Buch haben mir Thommie Bayer's Sprachstil und der Rahmen der Handlung eindeutig besser gefallen als die Geschichte. Es hat einfach Spaß gemacht, sich von dem Autor in die 70er Jahre zurückversetzen zu lassen und in Erinnerungen zu schwelgen. Obwohl Thommie Bayer bereits in den 80ern mit dem Schreiben angefangen hat, hatte ich bisher noch kein Buch von ihm gelesen. Der Sprachwitz, der seine Lieder ausgezeichnet hat, ist natürlich auch in diesem Buch zu finden. Daher werde ich mit Sicherheit noch weitere Bücher von ihm lesen.


© Renie

Die kurzen und die langen Jahre
Autor: Thommie Bayer
Verlag: Piper
ISBN: 978-3492054812

Mittwoch, 19. August 2015

Meine großen und kleinen Helden ...



Beim Lesen begegnen mir immer wieder besondere Protagonisten, die mich durch ihre Persönlichkeit, ihre Einstellung zum Leben oder auch durch ihre Taten beeindrucken. Daher habe ich mir vorgenommen, diesen Charakteren eine Bücherliste zu widmen.



Hier geht es zur Liste "Helden".

Die Liste ist noch sehr "übersichtlich". Nicht jeder bekommt einen Ehrenplatz auf meiner Liste ;-)

© Renie

Samstag, 15. August 2015

Gavin Extence: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat

Während ich ein Buch lese, schießen mir immer schon einige Gedanken durch den Kopf, wie ich es später beschreiben kann. Es entwickeln sich viele Formulierungen, die ich in meiner späteren Rezension verwenden möchte. Doch bei diesem Buch ist es anders. Fast alle Ideen und Ansätze, die ich hatte, musste ich wieder verwerfen. Denn egal, wie ich es angehe, ich laufe immer Gefahr, zuviel über den Inhalt zu verraten. Und das wäre schade. Denn ich möchte keinen um den Spaß und die Überraschungen bringen, die ich selbst mit diesem Buch erlebt habe.
Quelle: Limes Verlag
Daher beschränke ich mich zunächst auf das, was der Verlag über dieses Buch schreibt:
Alex Woods ist zehn Jahre alt, und er weiß, dass er nicht den konventionellsten Start ins Leben hatte. Er weiß auch, dass man sich mit einer hellseherisch begabten Mutter bei den Mitschülern nicht beliebt macht. Und Alex weiß, dass die unwahrscheinlichsten Ereignisse eintreten können – er trägt Narben, die das beweisen.
Was Alex noch nicht weiß, ist, dass er in dem übellaunigen und zurückgezogen lebenden Mr. Peterson einen ungleichen Freund finden wird. Einen Freund, der ihm sagt, dass man nur ein einziges Leben hat und dass man immer die bestmöglichen Entscheidungen treffen sollte.
Darum ist Alex, als er sieben Jahre später mit 113 Gramm Marihuana und einer Urne voller Asche an der Grenze in Dover gestoppt wird, einigermaßen sicher, dass er das Richtige getan hat …

Die Geschichte wird aus der Sicht von Alex erzählt, mittlerweile 17 Jahre alt. Nachdem er in Dover mit Drogen erwischt wird, erzählt er seine und Mr. Peterson's Geschichte im Rückblick. Alex erzählt die Geschichte sehr humorvoll, teilweise herrlich sarkastisch, aber oft auch nachdenklich und ernsthaft, fast schon philosophisch. Dabei ist Alex oft viel tiefgründiger als sein Alter vermuten lässt.
"'Ich bin kein Heiliger. Ich sehe die Dinge nur, wie sie sind.'" (S. 219)
Alex ist ein ganz besonderer Junge, der nach dem speziellen Vorfall in seiner Kindheit seine Leidenschaft für Naturwissenschaften (vorzugsweise Astrophysik und Neurologie) entdeckt. Diese Wissenschaften vermitteln ihm eine Logik, mit der er versucht, das Leben zu begreifen. Man ist erstaunt, wie einfach viele Dinge zu erklären sind. Manche würden Alex als altklug bezeichnen. Aber eigentlich ist Alex lebensklug. Es macht Spaß, die Welt mit Alex' Augen zu sehen.
"'aber ... nun, irgendwie spricht mich die Einfachheit und Klarheit der Physik an. Mir gefällt die Vorstellung, dass man all diese unglaublich komplizierten Phänomene mit unglaublich simplen Gesetzen beschreiben kann. Wie e = mc². Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, es gibt nichts Schöneres als das. Man kann es auf eine Briefmarke schreiben, aber gleichzeitig erklärt es, wie die Sterne funktionieren. Diese Art von Perfektion findet man sonst nirgends...'" (S. 185)
In Mr. Peterson findet Alex einen Gleichgesinnten. Die Freundschaft zu Mr. Peterson bedeutet ihm viel. Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Erwachsenen nimmt Mr. Peterson ihn ernst. Die beiden können herrlich über das Leben philosophieren.
"'Mr. Peterson?', frage ich nach einer Weile. 'Was glauben Sie, was passiert, wenn wir sterben?' Er schaute mich ein paar Sekunden lang an, als wollter er etwas in mir einschätzen. Dann sagte er: 'Ich glaube nicht, dass irgendetwas passiert, wenn wir sterben.' Ich dachte kurz nach. 'Ich auch nicht', sagte ich." (S. 160)
Selbst auf die Gefahr hin, dass ich jetzt doch zuviel verrate ... Zum Ende wird das Thema "Sterbehilfe" behandelt. Auch, wenn viele Dinge im Leben aus der Sicht von Alex so einfach zu erklären sind, Sterbehilfe ist es nicht. Hier habe ich mich schwer getan, die Gedanken, die dazu in diesem Buch ausgesprochen werden, zu akzeptieren. Der Autor vermittelt eine Meinung, bei der ich mich in vielen Punkten schwer tue.
"'...Wenn man tot ist, ist man tot. Das ist es, woran ich glaube, und Mr. Peterson glaubt es ebenfalls. Aber der Punkt ist doch: Wenn das stimmt, dann sollte es nicht bedrückend sein. Und niemand sollte Angst davor haben. Okay, ich kann einsehen, warum es vom Standpunkt der menschlichen Evolution betrachtet beängstigend ist, aber nicht aus einer logischen Perspektive.'" (S. 235)
Insgesamt ist das Buch sehr originell, rührend (aber nie rührselig), humorvoll, ernsthaft, philosophisch und vieles mehr. Ich habe es sehr genossen, dieses Buch zu lesen.
© Renie

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat
Autor: Gavin Extence
Verlag: Limes Verlag
ISBN: 978-3809026334


Der Verlag über den Autor:
Gavin Extence, geboren 1982, wuchs in der englischen Grafschaft Lincolnshire in einem kleinen Dorf mit dem interessanten Namen Swineshead auf. In seiner Kindheit machte er eine kurze, aber glanzvolle Karriere als Schachspieler; er gewann zahlreiche nationale Turniere und reiste nach Moskau und St. Petersburg, um sich dort mit den besten jungen Denkern Russlands zu messen. Er gewann nur ein Spiel.
Sein erster Roman »Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat« schlug in Großbritannien ein wie ein Meteorit – Alex Woods eroberte die Herzen der Leser im Sturm und die Presse feierte den Roman als DIE Entdeckung des Jahres.
Heute lebt Gavin Extence mit seiner Familie in Sheffield und schreibt an seinem zweiten Roman.




Sonntag, 9. August 2015

Didonias Bücher

  1. Abbott, David: Die späte Ernte des Henry Cage
  2. Abenstein, Edelgard: Frauen, die gefährlich leben
  3. Abraham, Pearl: Die Romanleserin
  4. Adam, Christian: Lesen unter Hitler - Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich
  5. Adam, Max: Stirb du für mich
  6. Adamson, Joy: Frei geboren
  7. Adichie, Ngozi Chimamanda: Americanah
  8. Adorf, Mario: Himmel und Erde
  9. Adorján, Johanna: Eine exklusive Liebe
  10. Adorján, Johanna: Meine 500 besten Freunde
  11. Agde, Günnter: Carl-Hans Graf von hardenberg
  12. Agus, Milena: Die Frau im Mond
  13. Ahern, Cecelia: Für immer vielleicht
  14. Aiken, Joan: Die Fünf-Minuten-Ehe
  15. Aiken, Joan: Du bist ich
  16. Aiken, Joan: Haß beginnt daheim
  17. Aiken, Joan:  Elizas Tochter, gelesen
  18. Aiken, Joan:Die jüngste Miss Ward, gelesen
  19. Aiken, Joan:Der Geist von Lamb House, gelesen
  20. Aitmatow, Tschingis: Abschied von Gülsary
  21. Aitmatow, Tschingis: Dshamilja
  22. Aitmatow, Tschingis: Du meine Pappel im roten Kopftuch

Mein Urlaubsrückblick




Der Urlaub ist vorbei. Ich war jetzt etwas mehr als 3 Wochen in Portugal: Sonne, Meer, Strand, gutes Essen, Faulenzen und natürlich LESEN.

Hier ist mein Urlaubsrückblick in Stichworten:

-> 10 Bücher gelesen

  1. Ein ganzes Leben von Robert Seethaler
  2. Der Seuche entstiegen: Wie schwarz und wie tot war der Schwarze Tod? von Karl Heinz Wesemann
  3. Marlene und Ernest von Hans-Peter Rodenberg
  4. Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki von Haruki Murakami
  5. Alfies Bestattungsladen von Helmut Exner
  6. Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat von Gavin Extence
  7. Feigen in Detroit von Alia Yunis
  8. Die Bibliothek der Schatten von Mikkel Birkegaard (bei Seite 200 abgebrochen)
  9. Kundu von Morris L. West
  10. Die Jagd des Jägers von Jacqueline Flory
(chronologische Reihenfolge)

-> Anzahl gelesener Seiten: 3358

-> das Buch

  • das mich am meisten überrascht hat: Feigen in Detroit
  • das mich am meisten enttäuscht hat: Kundu
  • das am spannendsten war: Die Jagd des Jägers
  • das am lustigsten war: Das unerhörte Leben des Alex Woods
  • das am traurigsten war: Das unerhörte Leben des Alex Woods
  • das für meinen Lesegeschmack am ungewöhnlichsten war: Der Seuche entstiegen
Jetzt steht erst mal Arbeit an, schließlich möchte ich auch etwas zu meinen "Urlaubsbüchern" schreiben. 
Zu den ersten 4 Büchern meiner Liste gibt es bereits Buchbesprechungen

Die Rezensionen zu den anderen Büchern werde ich hier nach und nach veröffentlichen.

Montag, 3. August 2015

Hans-Peter Rodenberg: Marlene und Ernest - eine Romanze

Marlene Dietrich und Ernest Hemingway, zwei schillernde Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts. Sie, die glamouröse Filmdiva, die nicht nur durch ihre Filmrollen Berühmtheit erlangt hat, sondern auch durch ihre männlichen Eroberungen. Er, der begnadete Schriftsteller, ein "echter Kerl", der sich vorzugsweise mit Hobbies beschäftigt hat, bei denen er seine Männlichkeit unter Beweis stellen konnte. Hochseefischen, Großwildjagd, Stierkampf, schöne Frauen... nichts hat er ausgelassen.

Marlene und Ernest lernen sich 1934 auf einer Schiffspassage von Europa nach USA kennen. Es knistert zwischen den beiden. Dieses Knistern wird auch nie aufhören. Es wird aber nie zu einer Affäre kommen. Marlene erkennt, dass sie in Ernest einen Seelenverwandten gefunden hat, und dass die Freundschaft zu ihm so viel mehr bedeutet als eine weitere flüchtige Affäre. 

Die beiden werden über einen Zeitraum von 25 Jahren in Kontakt bleiben, indem sie sich Briefe schreiben und sporadisch irgendwo auf der Welt treffen. Sie unterstützen sich gegenseitig im Kampf gegen den "Rest der Welt". Beide leiden darunter, dass ihr Leben der Öffentlichkeit ausgeliefert ist.

Was bedeutet den beiden diese Freundschaft?

Ernest ist für Marlene eine Vaterfigur. Bei ihm kann sie sich "ausweinen", wenn sie von der Öffentlichkeit mal wieder für ihre Eskapaden abgewatscht wurde. Er ist verständnisvoll, er tröstet und er schmeichelt. 
Sie ist für ihn der weibliche Kumpel, dem er nichts vorspielen muss. Insbesondere seinem ständigen Drang, seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen, muss er bei seinem "Buddy" Marlene nicht nachgeben. Gleichzeitig ist sie die ehrliche Kritikerin seiner Werke, von der er auch gerne die Kritik annimmt.
"'Die Dietrich war eine sehr resolute Dame';...'Sie konnte sehr glamourös und sie konnte sehr urwüchsig sein. Ich habe gesehen, wie sie wie ein hungriger Terrier an einem deutschen Würstchen herumnagte, aber sie konnte ebenso einen großartigen Auftritt hinlegen, der sogar einer regierenden Königin die Schau gestohlen hätte.'" (S. 34)
"Ähnlich wusste Marlene mit Hemingways Schwächen umzugehen. Befand sie sich in dem für Schauspielerinnen nicht gerade komfortablen Stadium zwischen Jugend und Alter, so war es bei ihm ständig der Drang, seine Männlichkeit zur Schau zu stellen, sei es durch besonders rüde Ausdrucksweisen oder durch Prahlereien mit seiner sexuellen Potenz." (S. 57)

Eigentlich ein interessantes Thema für ein Buch. Ich hatte mir jedoch erhofft, dass man mehr über das direkte Zusammenspiel zwischen den beiden erfährt. Gerade der Hinweis in dem  Vorwort hat mich neugierig gemacht.
"Hans-Peter Rodenberg wertet den erstmals in seiner Gesamtheit zugänglichen Briefwechsel der beiden Ikonen des 20. Jahrhunderts aus und entwirft mit Marlene und Ernest ein ebenso facettenreiches wie intimes Porträt einer außergewöhnlichen Freundschaft." (S.3)

Leider kommt bei Rodenberg's Auswertung das Zusammenspiel zwischen den beiden ein wenig zu kurz. Der Autor legt seinen Schwerpunkt auf die Beschreibung der einzelnen Personen. Er liefert im Grunde genommen 2 Biografien in einem Buch. Wenn man sich im Vorfeld schon ein bisschen mit den beiden Persönlichkeiten befasst hat, erfährt man leider nicht viel Neues über das Leben der beiden. Zwischendurch findet man zwar Auszüge aus dem Briefwechsel. Doch diese gehen leider in dem Überschuss an Informationen unter.

© Renie

Marlene und Ernest - eine Romanze
Autor: Hans-Peter Rodenberg
Insel Verlag
ISBN 978-3458357940

Hans-Peter Rodenberg ist Fernsehjournalist und Professor für Amerikanistik und Medienwissenschaft an der Universität Hamburg. (Quelle: Suhrkamp/Insel)