Mittwoch, 12. September 2012

Sigrid Undset: Kristin Lavranstochter 6

Hier habe ich einen Satz gefunden, der Erlend ganz gut charakterisiert: „Gott steh mir bei, Kristin, hast du jemals von mir gehört, daß ich das tat, was zu meinem Besten war?“

Nein, das hat er wahrlich nicht. Und so lange er alleine war, wäre dagegen auch nichts einzuwenden gewesen. Aber jetzt hat er eine Familie, für die er verantwortlich ist. Oftmals muss er auf alles aufmerksam gemacht werden, zum Beispiel als Kristin kurz vor der Geburt stand und keine Nachbarsfrauen im Haus sind. „Es ist schlimm, daß ihr sie nicht rechtzeitig hergeholt habt, die Frauen, die ihr helfen sollen.“ Und als sich Erlend rechtfertigte, dass Kristin meinte, sie bräuchte nur die Mägde, die im Haus sind, fuhr Gunnulf auf: "Du bist nicht ganz bei Trost! ... Jedes Häuslerweib hat die Nachbarsfrauen bei sich, wenn ihre Stunde kommt – soll dein Weib sich in den Winkel verkriechen und sich verstecken wie eine Katze, die werfen will? Nein, Bruder, so viel Manns mußt du sein, daß du die besten Hausfrauen im Tal für Kristin herbeiholst.“ Und voller Scham macht sich Erlend auf den Weg.
Kristin möchte unbedingt Audfinna Audunstochter bei sich haben, jene Bäuerin, bei die sie seit Langem das erste Mal wieder lachen konnte. Es schickte sich zwar nicht, aber ihr Wunsch wird ihr erfüllt, obwohl sich die Bäuerin später, als die anderen Frauen da sind, in den Hintergrund zurückzieht.
Kristin hat eine sehr schwere Geburt vor sich. Gunnulf ist noch bei ihr und als er sie verlassen will, weil es nun fast so weit ist, erzählt sie ihm, wie die Sache mit Eline wirklich war. Sie beichtet ihm alles.
Zu was hat Erlend sie da nur getrieben. Heutzutage ist es nichts Unnormales, wenn jemand fremdgeht und und und. Aber Kristin ist so gläubig erzogen worden, alle hatten sie es mit der Kirche, mit dem Beichten und spenden. Über den Glauben wurde viel gesprochen. Und sie hatten Gesetze, dass zum Beispiel ein unehelich gezeugtes Kind nicht erbberechtig ist. Ja, was ist denn Kristin und Erlends erstes Kind. Das wurde unehelich gezeugt. Und trotzdem wurde es getauft, da hatten sie wohl Glück, dass sie die richtigen Leute kannten.
Und mit all diesen Gedanken im Kopf, wie soll die junge Kristin da auch glücklich leben können.
Die ganze Nacht liegt Kristin nun schon in den Wehen. Am nächsten Tag schicken sie Erlend zu ihr rein. Es heißt, ein Kind, das heimlich gezeugt wurde, kommt besser, wenn die Frau auf des Mannes Schoß sitzt. Und auch hier lassen sie die Gedanken an Eline nicht in Ruhe. Den Tag und noch die ganze Nacht dauert der Kampf, bis ihr Sohn kommt.
Und wieder muss Erlend von Gunnulf darauf gebracht werden, dass es wohl an der Zeit ist, Kristins Eltern die Botschaft zu bringen, dass sie Großeltern geworden sind. Ja, er macht sich sogleich auf den Weg, aber er kommt nicht von allein auf den Gedanken.
Für Lavrans kommt diese Botschaft überraschend, für Ragnfrid natürlich nicht. Aber als Erlend wieder nach Hause muss, macht sich Lavrans mit auf den Weg, um die Tochter zu sehen.
Als er sah, dass Erlend anfing, seinen Hof in Schuss zu bringen, trennte er sich nach einiger Zeit in Liebe und Freundschaft von Kristin und ihrem Mann.

Später ist es wieder Kristin, die Erlends Suppe auslöffeln muss. Sie macht sich mit dem Baby auf den achtstündigen Fußmarsch zum Erzbischof, um „reingewaschen“ zu werden. Ja, zerknirscht ist er wieder, aber hat er damals einmal über die Folgen nachgedacht?