Mittwoch, 29. August 2012

Margaret Skjelbred: Die Vestfold-Saga

"Die Vestfold-Saga", besteht aus drei Büchern. Als ich im Buch die Beschreibung der einzelnen Bücher las, klickte es auf einmal bei mir. Das Buch "Windgesang" habe ich seit Längerem in meinem Regal stehen. Ich weiß nicht mehr woher ich es habe, möglicherweise auf einem Flohmarkt gefunden. Der Klappentext hatte mir damals gefallen und nun erfahre ich, dass es zu dieser Saga gehört. Da bin ich froh, dass ich es bisher noch nicht gelesen habe.

Das erste Buch, "Lerchenherzen", begann ganz verwirrend. Der Ich-Erzähler, oder wohl eher die Erzählerin, schmeißt mit Namen um sich, über die ich sofort den Überblick verliere. Aber nach den ersten sehr kurzen Artikeln schälen sich einige Personen heraus, über die dann ausführlich erzählt wird. Und mittlerweile macht das Lesen Spaß. Wenn ich auch bis zum Schluss nicht den totalen Durchblick erhalten habe, was die vielen Personen anbelangt. Kein Wunder, umfasst dieses Buch doch fast ein ganzes Jahrhundert. Ein anderes Buch hätte ich wahrscheinlich abgebrochen, aber hier konnte ich es einfach nicht. Es war wie ein Sog, ich musste einfach weiterlesen.
Und zum Schluss fügte sich vieles zusammen, wurden einige Fragen, die ich mir beim Lesen stellte, beantwortet.
Einen tollen Schreibstil hat Margaret Skjelbred. Es ist, als wenn dir jemand gegenübersitzt und aus früheren Familiengeschichten erzählt. Herrlich.

In "Windgesang" herrscht weiterhin der schöne Erzählstil vor. Die Geschichte dreht sich nun hauptsächlich um Solfrid, deren Mann Nils-Jan im ersten Teil gestorben ist, und ihren Sohn Jakob. Solfrid lernt Eric kennen, von allen jungen Frauen umschwärmt. Sie verbringen einen wundervollen Sommer. Durch Eric wird ihr Horizont erweitert. Er studiert an einer Uni. Interessiert sich für die Weltpolitik, während Solfrid bisher nur den lokalen Teil ihrer Zeitung las.
Der dünne Trauerpanzer, den sie bisher noch trug, fällt diesen Sommer von ihr ab, und sie sucht nach einer sinnvolleren Tätigkeit. Sie möchte Krankenpflegerin werden.

Alle paar Kapitel kommt auch der kleine Jakob, dreieinhalb, zu Wort. Seine Gedanken sind in Kursivschrift abgedruckt. Ich werde noch nicht schlau daraus, was das zu bedeuten hat. Ihm fehlt der Vater. Er spricht über ihn als einen Ton in der Flasche. Und er versteht die Erwachsenen nicht. Er mag es nicht, wenn seine Mutti traurig ist. Und er merkt schon einen Unterschied: Wenn sich die Großen über tote Menschen unterhalten, verhält sich seine Mutti unterschiedlich. Bei den anderen weint sie nicht. Schaut sie sich zusammen mit Jakob aber Bilder vom Papa an, weint sie immer. Und das mag er nicht.

Das Buch springt zeitlich viel hin und her. Zwischendurch wird dann über Personen, die bisher nur namentlich aufgeführt werden, auch was erzählt.
Zum Beispiel die Geschichte von Evine. Evine, die ganz abgesondert von all den Einwohnern lebt. Sich keinem Menschen angeschlossen hat. Kaum den Mund aufmacht.
Sie hatte eine schreckliche Kindheit. Mit einem schlagenden Vater. Musste mit ansehen, wie der ihre Mutti geprügelt hat, bis sie blutete. Der auf dem Hof Vögel aus reinstem Spaß abschoß und der dann verlangte, dass sie sich darum kümmerte. Sie hat die toten Vögel dann vergraben, damit die Katze sie nicht aufspürt. Sie weiß genau, wenn der Vater die Katze mit einem blutigen Maul erwischt, wird er auch die töten. Eine Kindheit also voller Angst und Schrecken für ein kleines, zartes Mädchen.

Und diese Evine trifft jetzt als alte Frau auf Lars, Vater von Solfrid. Der seit dem Tod von Solfrids Mann Nils-Jan mit dem Leben wohl nicht mehr klarkommt. Es scheint aber noch mehr dahinterzustecken. Er kämpft anscheinend mit bösen Erinnerungen aus dem Krieg, bekommt immer öfter Herzrasen, dass er Angst hat zu sterben.
Nun hat er sich im Wald zurückgezogen. Mit einem Gewehr. Den Lauf unter seinem Kinn. Und in dieser Position kommt Evine auf ihn zu.
Und Lars, der mit seiner Frau nicht darüber reden konnte, erzählt Evine seine Erlebnisse während des Krieges. Erzählt über die Angst, die in den Augen jedes einzelnen Mannes zu lesen war. Und über eine Frau und deren zwei Töchter, mit der er die vier Jahre zusammen war.
Alles redet er sich bei Evine von der Seele.

Und nun ist Evine tot. Man hat sie in der Ortschaft lange vermisst, bevor sich Ragnhild und Solfrid auf den Weg machen zu ihrem entlegen liegenden Hof. Und dort finden sie Evine tot im Schnee liegen. Und Lars erweist ihr einen letzten Dienst: Er holt sie mit dem Wagen vom Hof runter, damit sie beerdigt werden kann.

Es sind einfach zu viele Menschenschicksale, als dass ich hier über alle berichten kann. Da wäre auch noch Inger zu erwähnen, die in ihrer Ehe mit Hans immer unglücklicher geworden ist. Die älteste ihrer Töchter schaut niemanden von beiden ähnlich. Da hat sich Inger früher mal gehenlassen und die Quittung für bekommen. Sie schafft es aber einfach nicht, ihren Mann zu verlassen.

Solfrid vermisst Eric. Nach dem Klappentext hatte ich eigentlich gedacht, dass dieser nicht nur einen Sommer lang in der Geschichte vorkommt. Seinbe Hauptrolle bestand darin, Solfrid aus ihrer Trauer ins Leben zurückzuholen. Das wurde auch Zeit. Sie ist jung und sollte noch etwas vom Leben haben. Ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin läuft. Und wie durch Zufall lernt sie während ihrer Ausbildung den Mann kennen, mit dem Inger damals ins Bett gehüpft ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich da noch etwas ergibt.

Zum Ende des Buches muss Lars dem kleinen Jakob noch das Leben retten, der von einer hohen Leiter fällt. Ich hatte schon die Befürchtung, dass Solfrid nach ihrem Mann nun auch noch den Sohn verliert. Aber das ist glücklicherweise noch einmal gut gegangen.

Der dritte Teil der Vestfold-Saga beginnt damit, dass Mutter und Sohn, Solfrid und Jakob, Urlaub machen auf Elvines ehemaligem Hof. Unter der Bedingung, dass er später an Jakob weitergegeben wird, wurde er nun erst einmal Solfrid überschrieben. Dorthin geht sie mit ihrem Sohn, wenn sie Ruhe braucht. Und um das bisschen freie Zeit, die sie hat, mit ihm ganz allein zu verbringen. Sie braucht ihn dort nicht mit den Großeltern zu teilen, die sich unter der Woche, während ihrer Ausbildung, um ihn kümmern. Und die beiden genießen diese Zeit.

Carlos L. Dews: Carson McCullers - Die Autobiographie

Carson McCullers Die Autobiographie
Illumination and Night Glare

Carson und Reeves McCullers Kriegsbriefe 1944-1945
Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Carlos L. Dews
Aus dem Amerikanischen von Brigitte Walitzek

Mit zahlreichen Photographien

Das Buch wird eingeleitet mit einem Zitat von William S. Burroughs:

       Eine Rückschau auf ein Leben ist keine wohlgeordnete Aufzählung von Ereignissen von der Zeugung bis zum Tod. Vielmehr Bruchstücke daraus von hier und da.

Carsen McCullers wurde nur 50 Jahre alt. Ihren letzten Geburtstag (17. Februar 1967) feierte sie im New Yorker Plaza Hotel, wo sie auch noch Interviews gab. Unter anderem erklärte sie, warum sie eine Autobiographie schreibt:

   Ich denke, daß es für zukünftige Generationen von Studenten wichtig ist zu wissen, wieso ich manche Dinge tat, aber es ist auch für mich selbst wichtig. Ich wurde über Nacht zu einer etablierten literarischen Persönlichkeit, und ich war viel zu jung, um zu verstehen, was da mit mir geschah oder welche Verantwortung damit verbunden war. Ich muss unerträglich gewesen sein. Das, im Zusammenspiel mit all meinen Krankheiten, hätte mich fast zugrunde gerichtet. Aber wenn ich die Auswirkungen, die dieser Erfolg auf mich hatte, zurückverfolge und für zukünftige Generationen dokumentiere, hilft es ihnen vielleicht dabei, besser mit Erfolgen umzugehen.

Auf den ersten Seiten gibt es etwas Biographisches. Die Eltern und Geschwister werden erwähnt. Mit neun Jahren begann sie ein Klavierstudium, musste ihren Traum einer Konzertpianistin aber aufgeben, als sie krank wurde. Später diagnostizierte man bei ihr rheumatisches Fieber. So begann sie heimlich zu schreiben, da sie niemanden enttäuschen wollte. Sie reist später nach New York, um an Kursen teilzunehmen und arbeitete nebenbei für den Lebensunterhalt. Sie heiratete James Reeves McCullers jun., doch die Ehe war durch verschiedene Probleme belastet. Ihr Mann wollte sie sogar zum Selbstmord überreden, doch sie flüchtete. Er nahm sich dann alleine das Leben.
In ihren letzten 15 Jahren wurde Carson McCullers immer kranker. Literarisch hatte sie kaum noch Erfolg. Als sie mit der Autobiografie begann, war sie schon ans Haus und Bett gefesselt. Vom 18. April bis zu ihrem letzten Schlaganfall am 15. August diktierte sie den Entwurf einer Menge Menschen: Freunden, Familienmitgliedern, studentischen Hilfskräften. Es ist nicht mehr möglich, alle Identitäten festzustellen, die an dieser Arbeit mitgewirkt haben.

Der Name Annemarie Schwarzenbach taucht auf. In meinem SuB habe ich das Buch "Fast eine Liebe – Annemarie Schwarzenbach und Carson McCullers" von Alexandra Lavizzari stehen, in dem es um diese beiden Frauen geht:

    Carson spricht nicht direkt über ihre bisexuellen oder lesbischen Neigungen, fügt aber, wenn auch in leicht verschleierter Form, Einzelheiten über ihr Hingezogensein und ihre Beziehung zu der Schweizer Erbin Annemarie Clarac-Schwarzenbach ein. Über ihre erste Begegnung mit Annemarie schreibt Carson: "Sie hatte ein Gesicht, von dem ich wußte, daß es mich bis ans Ende meiner Tage nicht loslassen würde, schön, blond, mit kurzen glatten Haaren". Als weiteren Beweis für die Intensität ihrer Beziehung nahm Carson auch Auszüge aus zärtlichen Briefen von Clarac-Schwarzenbach ins Manuskript von ,Illumination and Night Glare' auf.


Ich beneide Carson McCullers fast um ihre Kindheitserinnerungen:

    Das Muster der Liebe hatte in meiner Kindheit begonnen. Ich vergötterte eine alte Dame, die immer wie ein mit Zitronenkraut gefülltes Duftkissen roch. Ich schlief bei ihr und kuschelte mich im Dunkeln an sie. Oft sagte sie: "Zieh dir den Stuhl bei, Liebchen, und sieh mal in der obersten Kommodenschublade nach", und dort fand ich dann irgendeine Leckerei. Ein kleines Törtchen oder einmal, zu meinem Entzücken, ein paar Kumquats. Diese erste Liebe war meine Großmutter, die ich Mommy nannte.


Der Autobiografie-Teil liest sich leicht und locker weg, aber ein so schönes Leben hat sie nicht gehabt.
Als Kind wurde sie falsch diagnostiziert und so bekam sie mehrere Schlaganfälle. Dann einen Alkoholiker als Mann, der sie nach der Scheidung nicht in Ruhe lies. Er verfolgte sie regelrecht und drohte damit, sich umzubringen, wenn sie ihn nicht wieder heiraten würde.
Am besten ging es ihr anscheinend immer, wenn sie schreiben konnte.

Carson McCullers hatte zwar ein kurzes, aber ein sehr erfülltes Leben. Und sie hatte sehr viele Freunde, was bei ihrem Erfolg sicher nicht selbstverständlich ist.
Robert und Hilda Marks lernte sie unter ungewöhnlichen Umständen auf einer Gartenparty kennen:

    Für mich war der erste Teil dieser Party ein Desaster. Meine Schuhe fühlten sich komisch an, und als ich mit in der Reihe stand, um die Gäste zu begrüßen, fühlten sie sich immer komischer an und taten immer mehr weh. Und in dem Moment, als meine Füße so schrecklich weh taten, lernte ich die Marks kennen. Mein Gesicht war vor Schmerzen ganz verkniffen und meine Freundlichkeit in diesem Moment ziemlich falsch. Hilda bekam einen sehr schlechten Eindruck von mir. Dann, als diese endlose Party vorbei war und ich mich in einen Liegestuhl fallen lassen konnte, sagte John plötzlich: "Ach du meine Güte! Du hast deine Schuhe verkehrt herum an."

Glücklicherweise traf Carson McCullers die Marks später noch einmal wieder und sie wurden Freunde.

Frances H. Burnett: Der geheime Garten

Mary lebt mit den Eltern in Indien. Allerdings wird sie von denen überhaupt nicht beachtet. Kinderliebe oder Fürsorge erlebt sie von ihnen nicht. Hauspersonal kümmert sich um sie, besonders ein Kindermädchen. Von diesen Menschen wird sie allerdings verzogen. Eines Tages herrscht völliges Chaos. Um Mary herum ist alles ruhig. Als sie von einem Mann in Uniform gefunden wird, ist sie die einzig Übriggebliebene auf dem Anwesen. Die Eltern sind an Cholera gestorben, wer noch nicht tot war, ist geflüchtet. Und so kommt sie nach England auf das Schloss ihres Onkels, der als sonderbar galt.
Und nicht nur das. Mary kann anfangs gar nicht glauben, wie das Hauspersonal mit ihr spricht. Besonders das Hausmädchen Martha, die von ihr sogar verlangt, dass sie sich alleine anziehen soll. Und die es wagt, ihr zu widersprechen, wenn sie ihr Befehle erteilen will.
Da es im Haus nichts zum Spielen gibt, bleibt Mary nichts anderes übrig, als nach draußen zu gehen. Und so erkundet sie die nächste Umgebung. Besonders die Gärten, derer vieler es hier gibt. Sie lernt den alten Gärtner Ben Weatherstaff kennen, der genauso grummelig ist wie Mary. Aber so langsam, mit der Zeit, freunden sie sich fast an.
Eines Tages findet Mary den Garten, den schon zehn Jahre niemand mehr betreten haben soll. Und nun ändert sich ihr Leben vollends.

Christine Westermann und Jörg Thadeusz: Aufforderung zum Tanz - Eine Zweiergeschichte

Christine Westermann und Jörg Thadeusz kannten sich kaum, waren aber neugierig aufeinander. Also stürzen sie sich in ein Abenteuer und schreiben zusammen ein Buch. Es macht richtig Spaß, zu lesen, wie sie sich brieflich einander nähern. Sie schreiben übers Älterwerden, Arbeit, Liebe, Treue usw. Halt die großen Themen des Lebens.

Carola Stern : Doppelleben

Carola Sterns "Doppelleben", welch ein Genuss ist es gewesen, über das Leben dieser Frau zu lesen. Sie hat einen einmaligen Schreibstil, das habe ich schon bei ihrer Biografie über Rahel Varnhagen erleben können. Mit den letzten Sätzen in ihrem Buch spricht mir Carola Stern aus tiefstem Herzen:
Doch schmerzt es mich, angesichts wachsender sozialer Ungerechtigkeit am Ende meines Lebens dazustehen ohne Antworten, ohne Perspektive, wie eine menschenwürdige Gesellschaft für alle erreicht werden kann. Es ängstigen mich Eigennutz und Habgier, die Unbarmherzigkeit von Unternehmern, die Resignation Betroffener, ihr Murren, das sich kaum noch in Empörung äußert, ein neuer Rechtsradikalismus und die Gleichgültigkeit, mit der er hingenommen wird. Ich bin einer jener "Gutmenschen" geworden, einer jener törichten Alten, die den Verlust von Werten, von Zivilcourage und Solidarität beklagen und von den Jungen oft belächelt werden. Das kann ich ertragen. Aber den Wandel des Zeitgeistes - ja, den würde ich noch gern erleben.

Walter Kempowski: Somnia - Tagebuch 1991

Ein Wiedervereinigungsplankton:

Wir sind jetzt zwiespältig. Daß sich schon jetzt so viele Widerstände aufgebaut haben gegen die Wiedervereinigung, das macht uns traurig und betroffen. Die Geschäftsleute fürchten um ihre Pfründe, und den westdeutschen Kaufleuten hängt die Zunge aus'm Hals." - 30. Januar 1991 (Somnia)

Ich finde das ganz verständlich. Für einen Großteil der Bevölkerung, wozu ich mich auch zähle, war das, was nach der Wende kam, ein Kulturschock.

Es ist ja schwierig, etwas über ein Tagebuch zu schreiben. Ich beginne jetzt mit dem 12. April 1991:

1961: Juri Gagarin umkreist als erster Mensch die Erde
Zitat:
,Sirius' wird überall gut aufgenommen. Dadurch daß er einen Monat nicht lieferbar war, ist mir ein Schaden von 20000 Mark entstanden.
Verkaufszahl ca. 11000.

2007 13000 Exemplare, Endzustand. Neuerdings rappelt er sich wieder auf.
Den "Sirius" habe ich mir auch gekauft. Vom "Echolot" habe ich noch nicht alle zusammen. Die Arbeit an Letzterem ist in diesem Tagebuch dokumentiert.

Saddam Hussein, Irak-Krieg, Tageszeitung, Filme, Politiker, Schriftsteller, Lesungen, Haus in Rostock, mit dem es nur Ärger gab, Familie, die Hunde und vieles mehr wird fast täglich angerissen. Teils mit ironischen Bemerkungen (das denke ich aber nur, weil ich ihn ja nicht persönlich kenne).

Wie hatte ich hier in Ostfriesland schon öfter einige Frauen beneidet, wenn in der Zeitung so ungefähr stand: "Landfrauen besuchten Walter Kempowski in Nartum". Ich wäre so gerne mal mitgefahren.

Nartum, 27. Juni 1991
Gegen Abend 30 Landfrauen, die unser Haus besichtigen wollten. Ich zog mich zurück und ließ es Frau Schönherr machen, die die Damen ja auch eingeladen hatte.
Unter solchen Umständen muß ich arbeiten. Ein Wunder, daß ich überhaupt etwas zustande bringe. Ich blieb am Schreibtisch sitzen und war ebenfalls zur Besichtigung freigegeben.
Man kann immer wieder rauslesen, wie enttäuscht Walter Kempowski darüber ist, dass seine Arbeit nicht so gewürdigt wurde. Bei Lesungen musste er immer wieder feststellen, dass viele Leute seine Bücher gar nicht gelesen haben.

Dass sein Verleger nicht mit ihm reden will. Dazu ein Eintrag vom 23. August 1991:

"Hier Paeschke?"
"Ja, guten Tag, Herr Paeschke."
"Sie wollten mich sprechen?"
"Ja, wir haben lange nichts voneinander gehört..."
"Ich komme gerade aus dem Urlaub und finde Ihren Zettel..."
"Es ist eigentlich etwas sonderbar, daß man seinen Verleger jahrelang nicht zu sehen kriegt."
"Ich dachte, daß die Betreuung durch Ihren Lektor gut sei?"
"Ja, aber wir müssen uns doch mal darüber unterhalten, wie es nun weitergehen soll."
"Bisher lief doch alles ganz gut, oder?"
Dann die Schwierigkeiten, an Material für den "Echolot" heranzukommen. Wer brauchbares Material hat, mag es nicht herausrücken. Wer freiwillig was weggibt, da passt vieles nicht.

Aber welche Freude, als man in Rostock ein Kempowski-Archiv einrichten möchte. Komischerweise darf es nicht Walter-Kempowski-Haus oder Walter-Kempowski-Archiv heißen. Letztendlich heißt es Kempowski-Archiv. Dazu ein Eintrag vom 22. August 1991:

Robert, dem ich heute von meinen Rostocker Archivplänen erzählte, sagte: "Bravo! Die sollen an unserm Namen ersticken! Hier 'n Blumenkübel, da 'ne Bank auf dem Unterwall."
Recht hat er, finde ich.

Ich bin traurig, dass ich eine derjenigen bin, die seine Bücher zu Lebzeiten nicht gekauft bzw. gelesen habe. Bei entsprechenden Einträgen von ihm kam bei mir immer das schlechte Gewissen hoch. Dabei interessiert mich doch die Rostocker Geschichte. Habe jahrelang Material (Bilder, Postkarten, alte Dokumente, Bücher, Zeitungsausschnitte, postalische Sachen usw.) gesammelt, was noch wartet, aufgearbeitet zu werden. Habe sogar nach dem Umzug nach Ostfriesland diverse Firmen in Rostock und Warnemünde angeschrieben, ob sie mir nicht Geschichtsmaterial schicken. Und von einigen habe ich sogar richtig was bekommen.

Schade, hätte ich dieses Buch zu seinen Lebzeiten gelesen, hätte ich ihm einen Brief geschrieben. Hätte ihm geschrieben, dass sein Verleger Unrecht hatte und Tagebücher doch gelesen werden.

Walter Kempowski: Sirius - Eine Art Tagebuch

Ich liebe seine Tagebücher. Der Mann nimmt kein Blatt vor den Mund, schreibt seine Meinung zum Tagesgeschehen, zu seinen Besuchern, spart nicht mit Kritik an Kollegen und übt auch Selbstkritik ("Kempowski ist schwierig.") Er notiert seine Träume (viel von der Haft in Bautzen), was er gerade liest, im TV gesehen hat und welche Musik er hört.

Nartum, Sa 29. Jan 1983

Im Bildarchiv lagern jetzt ca. 200.000 Fotos. Sie machen etwas mehr Arbeit als die Biographien, sie müssen regelrecht gepflegt werden.
"Was wollen Sie mit all diesen Bildern?"
Mit einer solchen Frage kann ich nichts anfangen. Die bloße Bewahrung vor der Vernichtung gibt der Sammlung schon einen Sinn. Genausowenig kann ich sagen, wozu die Sammlung von Biographien und Tagebüchern dienen wird. Bisher ist es noch immer so gewesen, daß ich mit dem, was ich aus subjektiver Getriebenheit tat, etwas Sinnvolles anfangen konnte. Nichts schöner, als eine Biographie lesen, und wundervoll, alte Fotos anzusehen. Die schönsten Fotos suche ich heraus und lege sie unter selbstgeschnittene Passepartouts.

1990: Inzwischen hat sich ganz von selbst ein Projekt ergeben, in das ein großer Teil der zeitgenössischen Berichte eingehen könnte: Das "Echolot", ein kollektives Tagebuch von 1943 - 1949. Damit werde ich mich wahrscheinlich den Rest meiner Tage beschäftigen.


Judith Merkle Riley: Die Zauberquelle

Auch den dritten und bisher letzten Teil habe ich mit Genuss gelesen. Gilberts Vater, wieder einmal in Geldnöten, will an das Erbe seiner Schwiegertochter und deren Töchter. Um Unheil von sich abzuwenden, begleitet die Familie den alten Haudegen auf dessen Burg. Wie sich herausstellt, muss Margaret nicht nur um ihr Hab und Gut kämpfen, sondern auch um das Leben ihres Sohnes.

Schade, ich hätte gerne auch noch einen vierten Teil gelesen.

Judith Merkle Riley: Die Vision

Schon kurz nach der Hochzeit kann Gilbert der Verlockung des kriegerischen Ruhms nicht widerstehen. So zieht er denn mit Bruder Hugo und Vater ins Feld. Und ausgerechnet er, der nun auch noch Chronist des Herzogs ist, wird gefangengenommen.
Die weitere Geschichte schildert, wie Margaret mit ihren Töchtern von der Burg flieht, ihre Freunde zusammentrommelt und sich auf den Weg macht, ihren geliebten Mann zu retten.
Sir Hugo, Gilberts Bruder, wird als ein dermaßen schräger Charakter gezeichnet, dass man oft nur noch schmunzeln kann.
Also auch Margarets Humor lässt weiterhin nichts zu wünschen übrig, obwohl das Schicksal sie oft in fast aussichtslose Situationen versetzt.
Aber Margaret wäre nicht Margaret, wenn sie aufgeben würde. Da es noch einen dritten Teil gibt, kann ich verraten, dass sie es schaffen, ihren Mann Gilbert zu befreien, der auf dem gefahrvollen Rückweg nach England auch noch Vater wird.

Ich bin sehr gespannt, wie die beiden, nun wieder in der Heimat, ihr Leben meistern.Beendet wird diese Geschichte mit einen riesigen Familien-, Freundes- und Nachbarsfest.

Judith Merkle Riley: Die Stimme

Mein erstes Buch dieser Art, und ich bin hin und weg. Frau Rileys Schreibstil ist so leicht und locker, dass man meint, man schwimmt durch die Geschichte. Margaret von Ashbury, die mit dem Kaufmann Roger Kendall verheiratet ist, diktiert Bruder Gregory (der in Wahrheit Gilbert de Vilers heißt) in Rückblenden ihre Lebensgeschichte. Anfangs aus einer Notlage heraus (der Mensch muss ja essen) freut er sich dann doch zusehends über jeden neuen Besuch im Hause der Kendalls.

Ich finde, Margaret ist ihrer Zeit weit voraus. Sie lässt ein Buch schreiben, bittet darum, dass Bruder Gregory ihr das Lesen beibringt, hat einen erfrischenden Humor, lässt sich als Wehmutter ein Gerät herstellen, mit dem sie Kindern auf die Welt hilft, die es nicht von alleine schaffen, will nur aus Liebe heiraten usw.
Das bringt ihr natürlich Schwierigkeiten ein und sie entkommt knapp dem Scheiterhaufen.
Ich bin gespannt auf die Fortsetzung.

Susanna Tamaro: Geh, wohin dein Herz dich trägt

Geh, wohin dein Herz dich trägt schreibt die Großmutter ihrer Enkelin in einem Brief, der wohl nie abgeschickt wird. Um drei Frauen geht es in diesen Briefen: Da ist Olga, die Großmutter, die nach einem Schlaganfall ihrer Enkelin Briefe schreibt, in denen sie von der Familie berichtet. Sie erzählt ein wenig über ihre eigenen Eltern, doch hauptsächlich geht es um die Tochter, die zu früh gestorben ist, und die Enkelin, mit der sie dann zusammengelebt hat.
Doch so ungetrübt war das Zusammenleben der beiden so unterschiedlichen Frauen wohl nicht. Eines Tages entschließt sich die Enkelin, nach Amerika zu gehen und nimmt der Großmutter das Versprechen ab, ihr nicht zu schreiben.

Dienstag, 28. August 2012

Antonio Skármeta: Mit brennender Geduld

Eine Hommage an den großen chilenischen Dichter Pablo Neruda. Sehr schön zu lesen. Poetisch und kraftvoll. Interessant das Umschlagmotiv: "Aus der Tapetenkollektion 'Factory', Casamance".

Peter Gay: Mozart: Biographie

Peter Gay soll ein großer Mozart-Liebhaber sein, habe ich gelesen.
Die Musikstücke, die hier alle aufgeführt werden, kenne ich zumindest vom Namen her nicht. Ich bin nicht der Klassik-Fan. Aber was Peter Gay über Mozart schreibt, ist interessant.
Mozart hat in einer Zeit gelebt, als Kinder wirklich noch in die Welt gesetzt wurden, um die Eltern später mal zu versorgen. Das kommt durch Leopolds, Mozarts Vater, Briefe ganz deutlich zum Ausdruck. Der macht es seinem Sohn wahnsinnig schwer, ein eigenes Leben zu führen. Gibt ihm sogar die Schuld am Tod der Mutter. Damit bekommt er ihn immer wieder klein.
Bis Mozart dann irgendwann doch aufbegehrt und sich sein bisschen Freiheit nimmt.

Was ich als Korrekturleserin wieder höchst faszinierend finde: Peter Gay arbeitet mit vielen Briefzitaten in der Originalschrift. Was für ein deutsch.
Da taucht natürlich wieder die Frage auf, wer uns die Klassiker in eine für unser Auge annehmbare Sprache "übersetzt".

Kathrine Kressmann Taylor: Adressat unbekannt

Gekauft hatte ich es hauptsächlich, weil es in Briefform geschrieben ist. Ich hatte auch schon einige Meinungen zu diesem Buch gelesen und war sehr gespannt, wie die Handlung in dieses dünne Büchlein passen sollte.
Max Eisenstein und Martin Schulse sind Geschäftspartner, Freunde, und führen in San Francisco eine Kunstgalerie, die sehr gut läuft. 1932 siedelt Martin nach München über und wird mit der Zeit mehr und mehr bekennender Nationalsozialist. Diese Entwicklung kann man sehr gut aus seinen Briefen herauslesen. Als eines Tages Max' Schwester Griselle vor Martins Tür steht und Hilfe benötigt, da sie von SA-Männern verfolgt wird, verwehrt er sie ihr. Das ist Griselles Todesurteil.
Max beginnt nun, sich für den Tod seiner Schwester zu rächen. Wie, das verrate ich Euch nicht. Für einige Cents gibt es das Büchlein gebraucht bei Amazon oder.

Das Buch erschien 1938 unter dem Pseudonym Kressmann Taylor, da ihr Verleger meinte, ein politischer Text einer Frau würde nicht ernst genommen.

Montag, 27. August 2012

Andreas Kieling: Durchs wilde Deutschland - Von den Alpen bis zum Wattenmeer

Dokumentationen dieser Art gesehen habe ich ja schon sehr viele und ich schaue die auch sehr gerne. Als Buch lese ich so etwas das erste Mal. Ein wenig Bammel hatte ich schon vor den ganzen biologischen Fachausdrücken, aber das hält sich in Grenzen. Kieling benutzt sie da, wo es nötig ist, ansonsten ist er ein toller Erzähler. Ein bisschen Humor schwingt auch mit durch. Das Buch ist einfach super. Das ist zwar mein erstes Buch von Andreas Kieling, aber sicher nicht mein letztes. Der Mann kann so toll erzählen.
Das Buch ist ja gegliedert in einige Kapitel, in denen er jeweils von einem Abenteuer berichtet. Aber er bleibt nicht stur bei dem einen Thema. Er schweift auch schon mal kurz ab, wenn es gerade passt. Ist dann aber auch schnell wieder beim ursprünglichen Thema.
Und einen feinen Humor hat er. An so mancher Stelle habe ich schon laut aufgelacht.

Zum Beispiel, als er im ersten Kapitel in den Bergen auf der Suche nach Steinböcken war:
Eine überdurchschnittlich große Lunge befähigt das Gamswild nämlich zu außergewöhnlichen Leistungen, was ein Bock vor unseren Augen eindrucksvoll unter Beweis stellte. Wir beobachteten, wie zwei Böcke sich um eine Geiß rangelten, die wohl gerade in die Brunft kam. Die beiden sprangen in einem solchen Tempo aufeinander zu und hakelten sich derart vehement mit ihren scharfen Hörnern, dass es nur so krachte und der Schnee nach allen Seiten stob. Schließlich gab der eine auf und flüchtete. Damit gab sich der Sieger aber nicht zufrieden, und er jagte den unterlegenen Konkurrenten in einem Affenzahn mindestens 200 Meter den Berg hinunter, bis er sicher sein konnte, den anderen wirklich in die Flucht geschlagen zu haben. Dann hetzte er mit unverminderter Geschwindigkeit den Berg wieder hoch, machte nur einmal fft, fft - so eine Art Flämen -, besprang die Geiß, ruckelte kurz, schüttelte sich und stand dann da, als wäre nichts gewesen. Ist der fit, der Junge, dachte ich, ist ja unglaublich. Mir hinge nach einer solchen Aktion die Zunge bis zu den Knien, und der atmete nicht mal schwer! Da gehen einem als Mann seltsame Dinge durch den Kopf, mir zumindest.

In einem anderen Kapitel ist er auf der Suche nach dem gemeinen Feldhamster, der, man soll es nicht glauben, auf der Roten Liste steht.
Und immer in Begleitung seiner Hündin Cleo. Cleo mag es übrigens überhaupt nicht, wenn Herr Kieling sich ans Tauchen macht. Und ganz wild wird sie dann, wenn Blubberblasen aufsteigen. Als er in voller Tauchermontur sich auf die Suche nach Riesenwelsen macht, lässt er Cleo bei seinem Begleiter am Ufer zurück. Der soll die Hündin ja festhalten, da sie sonst ins Wasser springt. Und das kann er ja beim Unterwasserfilmen gar nicht gebrauchen. Also watet er los und als er unter Wasser ist, und die Kamera in Positur bringt, sieht er was? Vier Pfoten oben, die auf ihn zugeschwommen kommen. Also muss er Cleo erst wieder rausbringen, aber die schafft es dreimal, sich von dem Begleiter loszureißen. Sie muss wirklich weiter weg an einem Baum festgebunden werden.

Vieles von dem Wissenswerten ist bei mir nicht hängengeblieben. Wie denn auch, wo ich mich mit der Materie ja nicht so intensiv beschäftige, wie z. B. Andreas Kieling.
Aber das Buch habe ich wirklich mit Vergnügen gelesen und werde auch seine anderen Bücher noch verschlingen, da bin ich ganz sicher.

Maria Nurowska: Das Mädchen im Elfenbeinturm

Es ist nicht leicht für Anka. Ihr Leben wird von ihrer Herzkrankheit bestimmt. Bei ihr läuft alles langsamer ab. Strengt sie sich an oder regt sie sich auf, wird das in der Regel sofort mit einem Anfall bestraft. Es gäbe eine Möglichkeit, dem ein Ende zu machen; eine Herz-Operation soll ihr helfen. Aber die Eltern sind noch dagegen. Besonders ihre Mutter ist übervorsichtig mit ihr. Hat ihr eigenes Selbst aufgegeben.
Als Anka Marek kennenlernt und sie Freunde werden, klappt das ganz gut, solange Marek nichts von ihrer Krankheit weiß. Doch eines Tages kommt er dazu, nachdem sie einen Anfall hatte und sich ein alter Mann um sie kümmerte. Seitdem sehnt Anka die Operation herbei.
Als ihre Mutter für einige Zeit ins Ausland verreist, ist das ihre Chance. Gemeinsam mit Marek tüftelt sie einen Plan aus...
Ich habe keine Erinnerung mehr daran, ob mich das Buch damals als Jugendliche vom Hocker gerissen hat. Heute tat es das nicht. Das Spannendste waren die Tochter-Vater-Gespräche. Ansonsten ist es eine nette Lektüre.

Nikolai Ostrowski: Wie der Stahl gehärtet wurde

Mit ca. vierzehn Jahren habe ich dieses Buch als Schullektüre lesen müssen. Ich kann mich nicht mehr dran erinnern, ob ich damals wusste, dass Nikolai Ostrowski hier über sich selbst schrieb. Ich weiß aber, dass ich von dem Buch beeindruckt war. Beeindruckt davon, dass Pawel schon in jungen Jahren an der Revolution teilnahm. Beeindruckt auch davon, dass dieser junge Mensch noch vor seinem älteren Bruder Artjom politisch schon so gefestigt war. Und vor allem nur für die Arbeit und die Partei lebte.
Der erste Teil des Buches wird mit einem Wort vom französischen Schriftsteller Romain Rolland eingeleitet:
Alles in Ostrowski ist Flamme der Aktion und des Kampfes - und diese Flamme wuchs und dehnte sich aus, je enger Nacht und Tod ihn umringten. Er strömte von unermüdlichem Lebensmut und Optimismus über. Und diese Freude verband ihn mit allen kämpfenden und vorwärtsschreitenden Völkern der Erde. 

Diese Sätze passen voll auf Kortschagin/Ostrowski. Je kränker Pawel wurde, desto größer sein Kampfgeist und der Wille, nicht außen vor zu stehen.

Zu Beginn des zweiten Teils gibt es ein Wort von Julius Fucik, einem tschechischen Autoren und Antifaschisten:
Ein Kommunist fürchtet nichts - das ist die Schlussfolgerung aus diesem Buch, das ist die Bilanz des Lebens des Verfassers.

 Aber fürchtet ein Kommunist wirklich nichts? Oder sind alle Bücher dieser Art nur Propaganda? Wie ich einmal gelesen habe, soll es ja Schriftsteller gegeben haben, die eigens dafür bezahlt wurden, solche Bücher zu schreiben. Die Liebe zur Heimat, zur Familie, Mütterchen Russland, der unerschütterliche Glaube an den Frieden und die Freiheit.
Gehörte Nikolai Ostrowski auch zu denen, die dafür bezahlt wurden, solch ein Buch zu schreiben? Oder gibt oder gab es wirklich solche Helden? Die nie schwach wurden, nie wankten, nie Fehler machten?

Die bekanntesten Sätze in diesem Buch kommen von Pawel:
Das Wertvollste was der Mensch besizt, ist das Leben. Es wird ihm nur einmal gegeben, und er muss es so nützen, dass ihn sinnlos vertane Jahre nicht qualvoll gereuen, die Schande einer unwürdigen, nichtigen Vergangenheit ihn nicht bedrückt und dass er sterbend sagen kann: Mein ganzes Leben, meine ganze Kraft habe ich dem Herrlichsten auf der Welt - dem Kampf um die Befreiung der Menschheit - gewidmet. 
 Ich finde, sie sind heute noch so gültig wie damals.

Mario Adorf: Der Fenstersturz - Merkwürdige Geschichten

Hör oder les ich den Namen Mario Adorf, denke ich zuerst an "Der große Bellheim" und dann an "Die Blechtrommel". Ersteren Film finde ich super, möchte ich gerne noch einmal sehen. "Die Blechtrommel" kann man irgendwie nicht vergessen, egal wie lange es her ist, dass man den Film gesehen hat. Ansonsten ist mir Mario Adorf als Schauspieler nicht haften geblieben.
Als Geschichtenerzähler gefällt er mir ausnehmend gut. Wie lernte er Romy Schneider und Alain Delon kennen? Wie unausstehlich war Klaus Kinski? Konnte Klaus Jürgen Wussow keinen Alkohol vertragen? Diese und andere Anekdoten erzählt er auf seine eigene, herzerfrischende Weise.

Sonntag, 26. August 2012

John Cleland: Die Memoiren der Fanny Hill

John Cleland wurde 1709 in Kingston upon Thames, Surrey, geboren und starb am 23. Januar 1789 in London. Er war ein englischer Schriftsteller, der aufgrund hoher Schulden 1748 in das Londoner Newgate-Gefängnis kam. Der Verleger Ralph Griffiths bot ihm für einen erotischen Roman 20 Guineen. Um aus der Haft entlassen zu werden, nahm er dieses geringe Angebot an.
So vollendete er noch im Gefängnis Die Memoiren der Fanny Hill, die er schon Jahre zuvor begann und wurde entlassen. Wegen der Veröffentlichung des Buches kam er wieder ins Gefängnis. Weil er aber glaubhaft nachweisen konnte, dass die Veröffentlichung aus einer finanziellen Not heraus geschah, wurde er nur verwarnt und erhielt von Lord Granville sogar eine Pension von 100 Pfund pro Jahr.

Einige erotische Bücher habe ich gelesen: Emmanuelle, die Mutzenbacher und noch so einiges. Aber das schönste war bis jetzt die Geschichte über Fanny Hill.
Sie kommt als 15-jährige Waise nach London und wird von einer Kupplerin aufgenommen. Von einer Frau soll sie als Prostituierte ausgebildet werden. Der junge Gentleman Charles rettet sie aus dem Bordell, wird von seinem Vater allerdings auf Reisen geschickt und so muss Fanny Hill nun wirklich als Prostituierte arbeiten, um zu überleben...
Mal davon abgesehen, dass hier die Notlage eines jungen Mädchens ausgenutzt wurde, kommt dieser Fakt überhaupt nicht rüber. Und wenn man die Umstände bedenkt, unter denen dieses Buch geschrieben wurde, sind die Liebesszenen wunderbar beschrieben, wie überhaupt das ganze Buch eine schöne Sprache hat.

Selma Lagerlöf: Das Mädchen vom Moorhof

Das Buch ist die Nr. 285 von der Insel-Bücherei. Ich liebe diese kleinen Büchlein. Es geht in dieser Novelle um die Dienstmagd Helga Nilsson, die auf einem Thing (vor Gericht) einen Erziehungsbeitrag für ihr Baby einklagen will. Der Vater des Kindes ist ein verheirateter Mann, der behauptet, zu Unrecht beschuldigt zu werden. Der Richter fragt ihn, ob er bereit sei, einen Eid zu schwören, was er bejaht.
Da zuckt Helga zusammen und bevor er den Eid ablegen kann, schreitet sie ein. Sie reist die Bibel an sich. Bevor er seine Seele verschwören kann, zieht sie die Klage zurück. Der Richter ist beeindruckt von ihr. Und obwohl sie nun ohne Geld dasteht, geht sie als moralische Siegerin aus dem Gerichtssaal.
Ob ihr das im weiteren Leben hilft?

Joe Coomer: Der Papagei, das Telefon und die Bibliothekarin

Eines Tages im Winter fliegt Lyman ein Papagei zu. "Halt die Klappe", war das erste, was er von ihm zu hören bekam. In der Bibliothek, in der er für die verschiedensten Kurse lernt und wo er nun etwas über Papageien erfahren will, läuft ihm Fiona über den Weg, die ihn, seit sie hier arbeitet, nicht in Ruhe lässt. Wir erfahren, dass Lyman schon als Baby seine Eltern bei einem Autounfall verlor. Noch dazu wusste er nicht mal, ob die beiden auch verheiratet waren und ob er überhaupt ihr Kind war. Er war lange im Krankenhaus und dann bei Pflegeeltern.
Lyman arbeitet bei der Verkehrswacht und sorgt nachts dafür, dass die Straßen frei sind.
Als der Papagei nun sogar einen Satz aus der Bibel plappert, wird Lyman richtig neugierig. Er versucht zurückzuverfolgen, wo der Vogel ursprünglich herkommt. Seine Spuren führen ihn dabei immer weiter in die Vergangenheit und er lernt die verschiedensten Menschen kennen.
Doch was ist mit Fiona? Am Anfang hilft sie ihm bei den Recherchen, aber irgendwann macht sich Lyman allein weiter auf die Suche. Ob sie ein Pärchen werden? Das wird nicht verraten.

Das Buch habe ich mir gekauft wegen der Bibliothekarin im Titel. Ist ja meine Lieblingsrichtung. Dann war ich erst etwas enttäuscht, weil das gar nicht so die Hauptrolle spielte.
Am Anfang bin ich auch gar nicht so gut reingekommen, aber dann fesselte mich die Geschichte doch.
Eine klassische Liebesgeschichte darf man nicht erwarten, aber man darf sich auf einen feinen Humor freuen.

Paulo Coelho: Der Zahir

Über den Autoren habe ich schon so einige Meinungen gelesen. Irgendwie wird er entweder in den Himmel gehoben oder in die Hölle gewünscht. Ich Glaube, ich muss mich mal mit seiner Biografie beschäftigen. Die Geschichte gefiel mir sehr gut. Sie klingt irgendwie banal. Da treffen sich zwei Menschen, verlieben sich, leben zusammen und leben sich irgendwann auseinander. Und auf einmal verschwindet ein Partner. Einfach so, ohne Abschied. Und so banal sie klingt, man mag irgendwie nicht aufhören zu lesen.
Der Autor schreibt in der Ich-Form. Der Hauptdarsteller ist Schriftsteller. Man ist geneigt zu denken, es ist eine wahre Geschichte. Da muss ich wirklich mal nachforschen, inwieweit und ob sich hier Fiktion und Wirklichkeit vereinen.
Mein Buch ist vom Diogenes Verlag. Ich finde die Buchgestaltung dieses Verlages sehr schön.

Joke J. Hermsen: Die Gärten von Bloomsbury

Dieses Buch ist aus meiner Lieblingssparte, Schriftsteller spielen darin mit. Eliot, Woolf und noch so einige. Um Martha dreht sich die Geschichte. Martha, die zur Beerdigung ihrer Oma aus Amsterdam nach England kommt. Und auch gleich hierbleibt. Sie möchte etwas über das Verschwinden ihres Vaters erfahren. Der erste Weltkrieg ist ein paar Jahre vorbei. Er wurde einfach von der Straße wegrekrutiert und dann hat die Familie ihn nicht wiedergesehen, seit acht Jahren nicht mehr. Ein paar Briefe, das waren die einzigen Lebenszeichen von ihm.
In der Buchhandlung "Old and New Books, Mr. Silberberg" begegnet sie Sam Eliot und bekommt nach einem kurzen Gespräch mit ihm gleich Arbeit und ein Zimmer von Mrs. Silberberg.
Mit diesem Buch kam ich überhaupt nicht klar. Das einzig Klare ist für mich der rote Faden "Martha". Ansonsten werden verschiedene Stränge gesponnen. Einer über das Ehepaar Eliot, einer über Virginia Woolf, Colette taucht auf, der Rest ist mir schon entfallen. Sie gehören zu der Londoner Bloomsbury-Gruppe der 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Bis auf die Geschichte von Martha entschließt sich mir der Sinn dieses Buches nicht. Vielleicht bin ich ja auch nicht intellektuell genug, um es zu verstehen.
Ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen. Allerdings werde ich es noch nicht verschenken. Irgendwann versuche ich noch einmal mein Glück damit.

Insa Segebade: Die Rückkehr

Mal schaun, wie lange ich für die knapp 200 Seiten brauche, habe ich mir gedacht. Und nun habe ich es innerhalb von 24 Stunden ausgelesen. Insa Segebade erzählt uns auf spannende Weise etwas über unsere Region, über einen friesischen Häuptlingssohn, wie er damals gelebt hat. Die Klosterkirche Ihlow, die vollkommen zerstört war und jetzt wieder neuerbaut wurde, spielt eine Rolle. Am Rande erscheint auch noch Klaus Störtebeker. Es geht um Liebe, Vertrauen und auch um Tierliebe.

Ein sehr kurzweiligen Buch für Kinder ab 12 Jahren.

Michael Cunningham: Die Stunden

Oh ja, den Film mit Meryl Streep, Nicole Kidman und Julianne Moor fand ich zauberhaft. Aber das Buch, ich bin bis zum Schluss einfach nicht mit ihm warm geworden. Vielleicht lag es daran, dass ich vorher den Film gesehen habe? Ich weiß es nicht.
Die Idee an sich finde ich toll. Da wird abwechselnd über drei Frauen, die in unterschiedlichen Zeiten leben, berichtet. Über einen einzigen Tag aus ihrem Leben. Und alle verbindet etwas mit "Mrs Delloway".

Ich kam nur langsam rein in die Geschichte. Schon der Prolog ist sehr traurig und beklemmend.
Clarissa will am Abend eine Party für ihren todkranken Freund Richard geben. Er ist Schriftsteller und soll mit einem Preis ausgezeichnet werden. Er nennt sie Mrs. Delloway.
Virginia setzt sich, nachdem sie aufgestanden ist und sich einen Kaffee geholt hat, in einen Sessel und ohne zu wissen, wie sie beginnen soll, greift sie zur Feder und schreibt: "Mrs. Dalloway sagte, sie wolle die Blumen selber kaufen."
Laura Brown ist verheiratet, hat einen Sohn und sollte eigentlich aufstehen, da ihr Mann Geburtstag hat. Doch sie liest "Mrs. Dalloway".

Jede der Frauen hat zu kämpfen. Mit guten und schlechten Momenten. Solche Geschichten liebe ich eigentlich.
Auf jeden Fall werde ich das Buch noch einmal lesen. In ein paar Jahren. Vielleicht habe ich dann einen besseren Zugang und kann es auch genießen und vor allem den Pulitzerpreis würdigen, den es erhalten hat.

Eva Ibbotson: Die Vertraute

Ein Jahr lang gibt uns Susanna in Form eines Tagebuchs Einblick in ihr Leben. Susanna hat in Wien auf dem Madensky-Platz ihren Modesalon. Und durch ihren Tagesablauf lernen wir die verschiedensten Menschen kennen: Die Gräfin Metz: Die alte Frau kann die Kleider kaum mehr bezahlen. Trotzdem näht Susanna weiter für sie, weil die Gräfin Kleider um der Kleider willen liebt. Frau Schumacher erhofft nach sechs Mädchen endlich einen Buben, damit der Mann einen Nachfolger in der Firma bekommt. Wie wird er reagieren, wenn wieder ein Mädchen kommt.
Es wäre zuviel, alle aufzuzählen. Ein Geheimnis hat Susanna, das ihr keine Ruhe lässt. Als junges Mädchen musste sie ihr geborenes Kind zur Adoption freigeben. Nur ihre Freundin Alice Springer und ihr Geliebter Gernot wissen davon.
Eines Tages gerät Susannas Salon in Gefahr. Wird sie ihn retten können und warum zieht sich Gernot so plötzlich von ihr zurück. Liegt es wirklich daran, dass sie eine Verabredung nicht einhalten konnte?
Diese Geschichte zu lesen, hat mir Vergnügen bereitet.

Edith Templeton: Gordon

Ich dachte, ich beginne ein erotisches Buch zu lesen. Allerdings hat diese Geschichte mit Erotik, wie ich sie verstehe, recht wenig bis gar nichts zu tun. Louisa lebt im London der Nachkriegszeit. In einer Kneipe trifft sie Gordon, einen Psychiater. Sie mag ihn nicht mal. Trotzdem geht sie mit ihm mit und lässt sich von ihm verführen. Sie treffen sich regelmäßig und der Sex findet immer zu den Bedingungen von Gordon statt. Dabei gibt es keine Zärtlichkeit. Er nimmt sie einfach und sie lässt es geschehen. Und obwohl sie sich einerseits beschämt fühlt und wütend wird, erfüllt er sie andererseits mit "einer tiefen, außerordentlichen Seligkeit und Befriedigung", die sie noch nie zuvor gespürt hat.
Im Verlauf dieser Affäre erzählt Louisa, die von Gordon nie mit ihrem Namen angesprochen wird, viel Persönliches. Anhand dieser kleinen Erzählungen kehrt er ihr Innersten nach außen, lässt sie sich an Dinge erinnern, die sie tief in sich vergraben hat...

Edith Templeton hat das Buch 1966 unter dem Pseudonym Louise Walbrook herausgebracht. Es wurde wegen Anstößigkeit verboten - allerdings erst, nachdem es sich gut genug verkauft hatte, um die Aufmerksamkeit der Olympia Press auf sich zu lenken. Erst 2001 wurde das Buch noch einmal unter ihrem richtigen Namen verkauft.
Ich bin mit der Louisa irgendwie nicht klargekommen. Sich einem Menschen so auszuliefern, ist für mich befremdlich. Mir fehlt auch ein bisschen was von ihrem sonstigen Leben. Sie war ja nicht jeden Tag mit Gordon zusammen. Aber nur über diese Tage wird berichtet.
Während des Lesens habe ich mich manchmal gefragt, ob sie von Gordon persönlich abhängig ist oder von dem Gefühl, das er ihr vermittelt. Dazu gibt es am Schluss eine Auflösung.

Fazit: Für mich war es eine kurzweilige Geschichte, die aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Knut Hamsun: Hunger

Dieses Buch erschien zwar schon 1890, ist aber bis heute absolut aktuell geblieben. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die hungern müssen. Selbst in so reichen Ländern wie Deutschland. Da brauchen wir gar nicht so weit weg schauen.
Im Sommer 1888 war Knut Hamsun per Schiff auf der Rückfahrt von seinem zweiten Amerikaaufenthalt nach Kopenhagen. In Kristiania wurde ein Zwischenstopp eingelegt. Diese Stadt ist ihm noch sehr gut in unangenehmer Erinnerung, durchlebte er hier doch 1886 arbeitslos eine schwere Hungerzeit. Er verließ das Schiff nicht und in der Nacht schrieb er die ersten denkwürdigen Zeilen:
Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, ehe er von ihr gezeichnet worden ist.
Als er in Kopenhagen angekommen war, schrieb er in einer gemieteten Dachkammer weiter. Wieder unter Hunger.

Edvard Brandes, Feuilletonredakteur der Zeitung "Politiken", war von dem noch unfertigen Manuskripot tief ergriffen. Er überredete Carl Behrens, es in der dänischen Zeitschrift „Neue Erde“ im November in Bruchstücken anonym zu veröffentlichen. Und es erregte sofort Aufsehen. Zwar lüftete die "Dagblad" bald das Geheimnis des Autoren, aber das fertige Werk wurde 1890 immer noch anonym herausgegeben. Im selben Jahr schon veröffentlichte Samuel Fischer es in deutscher Übersetzung.

Hunger ging mir ganz schön unter die Haut. Die Geschichte wird in der Ich-Form erzählt. Und ich erlebe hautnah mit, wie sich der arme Redakteur durchs Leben schleicht. Ein Zimmer zur Miete, das er sich nicht mehr leisten kann, die erste Nacht, die er in einem Wald geschlafen hat, wie er hungrig durch die Stadt streift. Und was ihm dabei alles so durch den Kopf geht, ist unbeschreiblich. Und oftmals für mich unverständlich.
Als Leser leide ich mit diesem Menschen. Dabei kenne ich diese Person, die da erzählt gar nicht. Er bleibt namenlos. Ich weiß nicht, ob er Familie hat. Ist er verheiratet, hat er Kinder, Geschwister, Eltern? Nichts von dem habe ich erfahren. Nur dass er vergeblich versucht, seine Schreibereien an den Mann zu bringen und weitere neue Sachen zu schreiben, um damit Geld zu verdienen. Um sich etwas zum Essen kaufen zu können, um ein Dach über dem Kopf zu haben.
Er versucht aber nicht, sich anderweitig Arbeit zu verschaffen. Wartet nur darauf, dass ihm die Geschichte gelingt. Ganz am Ende lässt mich dieser namenlose Journalist irgendwie nachdenklich, verwirrt und ratlos zurück.

Adèle Geras: Im Sommer der Geheimnisse

Mag sein, dass das Leben die schönsten Romane schreibt. Für ein Buch sollte es dann aber doch ein bisschen aufregender sein. Lous Großmutter war eine alte Frau, die ihr Leben lang nur an sich gedacht hat. Das Schicksal anderer Menschen, selbst das ihres Mannes lies sie kalt. Und diese Frau ändert klammheimlich, quasi mit ihrem letzten Atemzug ihr Testament, nur damit sich die Familie in die Haare bekommt. Diese ist bunt zusammengewürfelt. Matt, in zweiter Ehe mit Phyl verheiratet, geht mit seiner Ex Ellie fremd. Deren gemeinsamer Sohn Justin erbt das Familiengrundstück und verschleudert es. Die gemeinsame Tochter Nessa lässt sich scheiden und verliebt sich in ihre langjährige Freundin. Alles nichts Besonderes.

Und dann ist da Lou. Ihr zeigt die Großmutter im Nachhinein am deutlichsten, dass sie sie nicht leiden konnte, indem sie ihr die Rechte an den Büchern vererbt, die ihr Großvater geschrieben hat. Die Bücher, die er ihr, als sie ein kleines Kind war, vorgelesen hat und die schon lange nicht mehr verlegt werden.
Der Erzählstrang um Lou war noch der interessanteste. Die Liebesgeschichte zwar vorhersehbar, aber nett geschrieben. Spannend waren für mich die Passagen, in denen es um das Geheimnis der Bücher geht und alleine deshalb hat das Buch doch ein bisschen Spaß gemacht.

Helen Dunmore: Im ersten Licht des Tages

Das war schon ein eigenartiges Buch. Es plätschert so dahin, erscheint irgendwie keinen Sinn zu geben. Und trotzdem konnte ich es nicht aus der Hand legen. Irgendwas muss doch da noch kommen. Gut, Nina, die eigentlich wegen ihrer Schwester gekommen ist, der es nach der Entbindung noch nicht wieder gut geht, fängt ein Verhältnis mit dessen Mann an, aber weltbewegend ist das nicht. Und die anderen Personen, die sich noch mit im Haus aufhalten, scheinen nur Staffage zu sein: Susan, das Kindermädchen, Richard, Isabels Mann und Edward, der schwule Freund von Isabel.
Und immer wieder taucht der Name Colin auf, der mit drei Monaten den Kindstot starb. Oder doch nicht? Spielen Ninas Erinnerungen ihr einen Streich?
Und dann, im ersten Licht des Tages erschließt sich uns mit dem letzten Satz des Buches die ganze Wahrheit.

Der Schreibstil ist wunderbar. Man fängt an zu lesen und mag nicht mehr aufhören. Obwohl nichts Spannendes geschieht. Aber irgendwie spürt man, dass da doch gleich was kommen muss. Irgendwas passiert gleich.
Die Geschichte ist sehr düster gehalten. Keine positiven Höhepunkte. Als wenn alle deprimiert wären. Und mit einem Schrecken lässt einen das Buch nach dem Zuklappen dann zurück.

Fazit: Wem es gerade nicht so gut geht, dem würde ich das Buch nicht empfehlen.

Kristin Marja Baldursdóttir: Möwengelächter

Vor einiger Zeit schon habe ich mit Genuss von dieser Schriftstellerin das Buch "Die Eismalerin" gelesen. Ich finde ihren Schreibstil einfach nur schön. Schon mit ihrem ersten Satz bin ich mitten drin in der Geschichte, die sie in diesem Buch aus Sicht der 12-jährigen Agga erzählt. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, Agga ist eine Waise, geht noch zur Schule, wohnt bei den Großeltern und hat ständig Hunger. Es ist Ostern und überraschender Besuch schneit ins Haus. Aggas Tante, die vor einiger Zeit mit ihrem Mann nach Amerika ausgewandert ist, kommt als Witwe wieder in die Heimat zurück. Und sie bringt nicht nur in die Familie Unruhe. Ihr Erscheinen hat Auswirkungen auf den ganzen isländischen Ort.
Agga ist die Neugierde in Person. Alles muss sie mitbekommen, alles will sie wissen. Sie horcht an Türen, versteckt sich unterm Sofa und in Zimmerecken, um ja nichts zu verpassen. Und das lässt sie mehr aus der Welt der Erwachsenen mitbekommen, als für sie gut zu verdauen ist. Gleichzeitig muss sie mit ihrem Frauwerden kämpfen. Alles nicht so einfach für ein junges Mädchen. Als dann noch ein Mord geschieht, weiß Agga sofort, was sie zu tun hat. Oder doch nicht?
Aus Aggas Sicht lernen wir ihre Familie kennen, einige Menschen aus dem Fischerdorf und wir erfahren, wie die Menschen in den 50er Jahren in Island gelebt haben.

James Patterson: Sams Briefe an Jennifer

Nachdem ich den Namen James Patterson jetzt wieder auf dem Buch gelesen habe, fiel mir ein, dass ich ihn im Buchladen auf Krimis schon öfter gesehen habe. Das Buchcover zeigt eine Frau von den Hüften abwärts in einem Sommerkleid, wie sie barfuß im Sand steht. Dieses Bild verspricht ein heiteres, leichtes Buch.
Man ist sofort drin in der Geschichte, denn auf den ersten Seiten erfährt man schon eine ganze Menge. Seit mehr als eineinhalb Jahren ist Jennifers Mann tot, beim Surfen auf Hawaii umgekommen. Nach einem Jahr hat sie versucht, wieder mit Männern auszugehen, aber das war nichts. Sie hat zwei Katzen und jede Menge Freunde, denen sie auf die Frage "Wie geht's?" antworter: "Blendend." Und alle wissen, dass es nicht stimmt.
Mitten während der Arbeit an ihrer Kolumne erhält Jennifer einen Anruf von Reverend John Farley, dass ihre Großmutter gestürzt sei und nun im Krankenhaus im Koma liege. In kürzester Zeit packt sie, schnappt sich ihre beiden Katzen und ist schon auf dem Weg nach Lake Geneva.
Und dann ist die Geschichte gar nicht so heiter und leicht, wie das Buchcover verspricht.
In diesem Buch geht es um Liebe, Enttäuschungen, Hoffnung, Tod und wieder hauptsächlich um Liebe.
Eine wundervolle Liebesgeschichte, die uns zeigt, dass man nie die Hoffnung aufgeben sollte und dass man an sich selbst glauben soll. Ein richtiger Mutmacher.

Marie Louise Fischer: Sanfte Gewalt

Seit Jahren habe ich mal wieder so einen Schmöker gelesen, wo man das kommende Happy end schon beim Lesen des Klappentextes ahnt. Ich bin ja kein gehässiger Mensch, aber ich hätte mir doch gewünscht, dass die Mutter ein wenig länger hätte leiden müssen. Das Ende kam einfach zu abrupt. Ich mag Menschen nicht, die immer so tun, als wären sie mit Dir einer Meinung, aber in Wirklichkeit kochen sie innerlich. Oder die Dir mit ihren Antworten permanent ein schlechtes Gewissen verabreichen. Katrin ist eine tolle Handarbeitskünstlerin. Sie strickt schicke Pullover und arbeitet im Familienunternehmen "Die kleine Strickstube", das dank Katrin sehr gut läuft. Sie denkt, sie hat ein glückliches Leben. Dabei ist sie kreuzunglücklich, was ihr Magen ihr ständig zu verstehen geben will. Doch sie versteht die Zeichen noch nicht.
Und als Katrin eines Tages endlich aufbegehrt, kommt es zum Eklat mit Mutter und Tochter. Ich habe die Befürchtung, wenn Katrin nicht auch Unterstützung von außen (in Gestalt ihres Vaters oder ihres Chefs, bei dem sie als freie Mitarbeiterin bei der Zeitschrift "Libertá" tätig ist), wäre ihr die Abnabelung nicht so gut geglückt.
Das Buch liest sich schnell runter, der Schreibstil ist angenehm zu lesen.

Jessica Durlacher: Schriftsteller

Schaut sie auf dem Cover nicht irgendwie gelangweilt drein? Tirza Danz ist Schriftstellerin, hat mit Erfolg das Buch "Der Vater" geschrieben, gibt den Kurs "Kreatives Schreiben" an einem College und hat eine Schreibblockade. Sie trifft sich mit Kollegen aus der Branche und wirkt dabei äußerst gelangweilt.
Sie erinnert sich an ihre Jugendzeit, als sie einem Maler, der auch zu Gast war, nackt Modell gelegen hat.
Irgendwie dümpelt das Buch dahin. Erst zum Schluss gibt es noch einen Überraschungsmoment; ausgelöst durch einen Schriftwechsel, den Tirza Danz mit einer Ada Hammerstein führt. Ungewöhnlich daran ist, dass Ada Hammerstein auch der Name ihrer Hauptfigur aus ihrem Buch ist.
Dieser Schriftwechsel und die Auflösung sind aber auch das Spannendste an diesem Büchlein.

Stephan Naumann: Das Werk der Bücher

Die letzten beiden Sätze des Klappentextes haben mich aufhorchen lassen. Liebe ich doch Bücher, in denen es um Bücher, das Lesen oder die Literatur und was sonst noch damit zu tun hat, geht. Aber welche Enttäuschung in der ersten Hälfte des Buches. Beschrieben wird Nathans Weg von London nach Mainz, auf dem er über Leichen geht. Ich kenne noch nicht viele Mittelalter-Bücher. Wenn ich davon ausgehe, dass Stephan Naumann vernünftig recherchiert hat, ist es eine Zeit in der ich nicht gerne leben würde. Gewalt, Krankheiten, Rechtlosigkeit und die Kirche bestimmen, wo es langgeht. Nathan ist ungefähr zehn Jahre alt, als er sein Ziel Mainz erreicht, um sein teuflisches Werk zu vollbringen.

Und ab hier, der zweiten Hälfte des Buches, wird mein Lieblingsgenre so richtig bedient. Ich lerne Johannes Gutenberg kennen und einen seiner Geldgeber, Johannes Fust und seinen Mitarbeiter Peter Schöffer. Während Fust Nathan als seinen Ziehsohn aufgenommen hat, versucht Gutenberg ihn davon zu überzeugen, dass der Böses im Sinne hat. Doch vergeblich. Sollte Nathan sein teuflisches Werk etwa vollenden können?

Was ich an diesem Buch toll finde, ist die Schreibweise des Autoren. Ich habe hier keine modernen Wörter in der Geschichte gefunden. Es wird auch hauptsächlich erzählt, das, was an wörtlicher Rede da ist, ist in Reimen geschrieben. Stephan Naumann erzählt auch, wie es im Mittelalter zuging, gibt uns Informationen über die großen Städte, durch die Nathan zog.

Alles in allem ein interessantes Buch, das ich jedem, der sich für diese Zeit interessiert, empfehlen kann.

Sándor Márai: Die Glut

Die Geschichte wird getragen von dieser Nacht, in der zwei alte Männer, alte Freunde, zusammensitzen und die Wahrheit suchen. Zumindest einer von ihnen, Henrik. Henrik ist es, der die Vergangenheit während dieser Nacht aufleben lässt. Ob er Antworten auf seine Fragen bekommt?

Für mich ist das Buch eine Offenbarung. Sándor Márai hat eine wunderschöne Sprache. Seinen Text zu lesen, ist wie Musik zu hören.

Kim Wilkins: Das magische Buch

Im Prolog begegnet uns Christian. Christian, der in einem Haus neben einer Leiche gefunden wird. Als die Bücher des Toten verschifft werden sollen, taucht Christian wieder auf, erleidet einen Unfall und stürzt ins Wasser.
Über 100 Jahre später erscheint er wieder und macht sich bei Holly bemerkbar. Während sie im Melbourner Humberstone College über ihren Büchern eingeschlafen ist, verschafft ihr Christian als Geist einen Höhepunkt.
Später gibt er sich ihr zu erkennen, allerdings kann sie ihn nur sehen, wenn sie in einen Spiegel schaut. Und ihr wird in seiner Gegenwart so schlecht, dass sie sich fast übergeben muss. Das passiert, da sie dadurch, dass er ihr seine Geschichte erzählt, länger in seiner Gegenwart ist.

Die Mitschüler, mit denen sich Holly ein Büro an diesem College, das jährlich nur zwei Stipendien vergibt, teilt, sind Prudence, die ein Techtelmechtel mit dem Professor hat, und Justin, dessen Tante und Onkel das College gehört und die ein Geheimnis zu umwittern scheint.

Ein Geheimnis existiert tatsächlich. Das Geheimnis um das Grimoire, mit dem Dämonen heraufbeschworen werden können. Justins Onkel will das ewige Leben erhalten und geht dafür über Leichen.
Als Holly, Prudence und Justin hinter das Geheimnis kommen, schweben sie in höchster Gefahr. Sie sind aber auch die einzigen, die die Welt vor den Dämonen retten können.

Dieses Buch habe ich mir kurz nach der Wende gekauft. Es war mein erstes mit Blick auf "Bücher über Bücher" und mein erstes mit einem parapsychologischen Hintergrund. Also Hochspannung pur.
Nachdem ich nun mittlerweile schon einige Sachbücher zu dem Thema gelesen habe und Akte-X-Fan bin, hat es nicht mehr den Zauber von damals. Trotzdem hat es Spaß gemacht, es noch einmal zu lesen, vor allem, weil ich wirklich nicht mehr wusste, wie es endet.

Ein Aha-Erlebnis gab es dann aber ganz zum Schluss doch noch. In der Danksagung standen folgende Sätze:
Ganz besonderen Dank aber schulde ich Kate Morton, durch deren Zuneigung und unerschütterlichen Optimismus ich Dinge in mir entdeckt habe, die irgendwann in meiner Jugendzeit verloren gegangen waren. Ein Hoch auf all die vielen Male, wenn wir uns als Märchenprinzessinnen verkleideten, danke auch für die Unmengen an Pizza und Rotwein, die wir vertilgt haben.
Angesichts all der Gruselstorys, die wir uns erzählt oder gegenseitig vorgelesen haben, sowie Kates Fähigkeit, meine oft kindgemäße Vorstellungskraft ins schier Unermessliche zu steigern, ist es mir eine ganz besondere Freude, ihr dieses Buch zu widmen.

Nun weiß ich auch, was es mit der Widmung am Anfang des Buches auf sich hat:
Dieses Buch ist mit liebevollen Gedanken Prinzessin Katelyn gewidmet. 
Ich habe schon überlegt, wer diese Prinzessin wohl sein mag.

Marina Vlady: Eine Liebe zwischen zwei Welten - Mein Leben mit Wladimir Wyssozki

Marina Vlady, der Name erinnerte mich bisher nur an "Die blonde Hexe". Den Film kenne ich aus meiner Jugendzeit. Eine wunderschöne junge Frau mit langen blonden Haaren. Es ist ein schönes und trauriges Buch. Wladimir Wyssozki ist nur 42 Jahre jung geworden. Er war Sänger und Dichter und dem sowjetischen Staat ein Dorn im Auge. Ein Großteil seiner Lieder wurde nicht veröffentlicht, sie kursierten aber millionenfach als Tonbandaufnahmen im Lande.
Das Buch ist wie ein langer Brief. Marina Vlady erzählt ihm die Geschichte ihrer Liebe.
Veröffentlicht wurden ihre Erinnerungen 1987, sieben Jahre nach dem Tod ihres Mannes. In der UdSSR wurde sie zum Bestseller.

Cornelia Funke: Tintenherz

Die Tintenwelt-Trilogie habe ich mir vor zwei Jahren selbst zu Weihnachten geschenkt. In der gebundenen Ausgabe, die wundervoll aussieht. Und habe nicht gewusst, was ich mir diese zwei Jahre entgehen lassen habe. Tintenherz, der erste Teil,  ist nicht nur ein "Buch über Bücher", wie ich sie liebe, es ist eine Liebeserklärung an die Bücher überhaupt und an die Literatur.
Jedes Kapitel beginnt auf einer neuen Seite. Ist auf der Seite, wo ein Kapitel endet, noch Platz, wird es von einer wunderschönen Illustration von Cornelia Funke geziert. Und jedes neue Kapitel beginnt mit einem kleinen Zitat aus einem anderen Buch. "Die Brautprinzessin" ist mir schon untergekommen. Oder "Peter Pan", "Der König von Narnia" oder "Die Abenteuer des Tom Sawyer" und noch viele mehr. Cornelia Funkes Schreibstil ist sehr schön.

Meggie und ihr Vater Mortimer Folchart, den sie nur Mo nennt, leben in einem Haus. Beide lieben Bücher über alles. Mo ist noch dazu ein "Buch-Doktor". Er verleiht kaputten Büchern ein neues Kleid.
Meggie hat ihr Buch sogar beim Schlafen unterm Kopfkissen liegen:
Unter ihrem Kissen lag das Buch, in dem sie gelesen hatte. Es drückte den Einband gegen ihr Ohr, als wollte es sie wieder zwischen seine bedruckten Seiten locken. "Oh, das ist bestimmt sehr bequem, so ein eckiges, hartes Ding unterm Kopf", hatte ihr Vater gesagt, als er zum ersten mal ein Buch unter ihrem Kissen entdeckte. "Gib zu, es flüstert dir nachts seine Geschichte ins Ohr." - "Manchmal!", hatte Meggie geantwortet. "Aber es funktioniert nur bei Kindern."
An diesem Abend, als Meggie nicht einschlafen konnte, kam ein Fremder zu Besuch. Staubfinger; den Namen hatte Meggie noch nie gehört. Wer ist er? Und warum nennt er ihren Vater Zauberzunge?
Es stellt sich heraus, dass Mo, wenn er ein Buch vorliest, es irgendwie schafft, Dinge oder Personen aus diesem Buch wahrwerden zu lassen. Andererseits verschwindet aber auch etwas aus seiner Welt in das entsprechende Buch. Kam Staubfinger so in ihre Welt? Staubfinger, der kommt, um sie vor Capricorn und seinen Mannen zu warnen, die ebenfalls auf diese Weise hierherkamen. Und wie ist es dann mit Meggies Mutter? Ist sie wirklich auf Abenteuerreise gegangen und nicht mehr zurückgekommen?

Capricorn und Co. haben sich in einem Dorf eingerichtet. Staubfinger ist der einzige, der unbedingt wieder zurück möchte in seine Welt. Und er kann Mo nicht glauben, dass der es nicht schaffen sollte, dies zu bewerkstelligen. Doch Capricorn hat alle Buchexemplare aufgetrieben und sie verbrannt. Bis auf eines. Doch wie dort rankommen?

Zu dritt machen sie sich auf den Weg zu Maggies Tante Elinor, die in einem riesigen Haus voller Bücher lebt. Und sie überlegen gemeinsam, wie sie nun weiter vorgehen sollten.

Bei einigen Sachen war ich skeptisch, gerade, weil diese Trilogie als Jugendserie verkauft wird. Figuren, die laufend davon reden, jemanden umbringen zu wollen und mit Waffen rumhantieren, ist es das, was Jugendliche heutzutage lesen? Mir war das fast ein bisschen viel.
Und eine Gänsehaut habe ich bei zwei Szenen bekommen, als es um verbrannte Bücher ging. Da hatte ich arg mit zu kämpfen.

Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. So eine wundervolle Geschichte mit Charakteren, die man lieben und hassen kann und einem Schreibstil, von dem man sich tragen lassen kann. Ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll.
Man beginnt zu lesen und sofort ist alles um einen herum weg. Als wenn man sich mittendrin in der Geschichte befindet. Einfach toll.
Ich habe ja schon einige Bücher gelesen, wo ich immer dachte: Mensch, haben die denn gar keine Angst? Wenn Frauen sich zum Beispiel in Gefahr bringen, weil sie ihre Neugierde nicht zügeln können oder ihre Nase überall reinstecken müssen.
Aber hier, in dieser Geschichte, wird die Angst, die Meggie, Elinor und die anderen immer wieder mal haben, sehr gut beschrieben. Und obwohl das ein Fantasy-Buch ist, kann ich mich in diese Figuren sehr gut hineinversetzen und ängstige mich mit, weil ich so total in der Geschichte drin bin, wenn ich mir das Buch vorknöpfe. Das habe ich lange nicht gehabt.

Lea Korte: Sommernacht auf Mallorca

Schon das Buchcover stimmt auf eine schöne Sommerliebesgeschichte ein. Und besonders neugierig war ich, inwieweit George Sand in diese Geschichte hineinpasst. Eigentlich will Isabella ja nichts mehr von Männern wissen, im Moment wenigstens nicht. Doch kaum auf Mallorca angekommen, hat sie es schon mit dreien der männlichen Gattung zu tun. Einer von ihnen, Guillem, Klavierspieler und Liebhaber von George Sands Werken, bringt ihr die Geschichte dieser Schriftstellerin und deren Liebe zu Chopin nahe. Diese Unterhaltungen über die beiden Künstler gefallen mir sehr gut.
Und Isabella beginnt, sich ein klein wenig in Guillem zu verlieben. Aber wer ist Anna, die im Haus auftaucht. Eine Verflossene? Eine aktuelle Freundin?
Lea Kortes Schreibstil ist wunderbar leicht und so lässt sich dieses hübsche, kleine und handliche Buch sehr schön lesen, egal wo: zu Hause gemütlich im Sessel oder auf der Couch, auf dem Balkon unterm Sonnenschirm oder gar am Strand von Mallorca, auf den Spuren von George Sand.

Jason F. Wright: Die Mittwochsbriefe

Laurel stirbt nachts an einem Herzinfarkt. Jack, der an einem Gehirntumor leidet, will Hilfe holen. Beim Aufstehen wird ihm schwindlig, er stürzt und kann sich gerade noch so ins Bett zurückziehen. Da lebt Laurel schon nicht mehr. Seiner nächsten Schmerzattacke gibt Jack sich hin und folgt Laurel. Das war der traurige Auftakt dieser Geschichte.
Noch vor der Beerdigung werden die Briefe gefunden. Die Geschwister Samantha, Malcolm und Matthew beginnen sie zu lesen. Tausende Briefe, über Jahrzehnte geschrieben, unsortiert. Sie lesen Splitter aus dem Familienleben. Samantha z. B. erfährt, dass sie nur am Theater spielen durfte, weil ihr Vater dafür bezahlt hat.
Ein Brief, der das schreckliche Familiengeheimnis offenbart, bezieht sich auf Malcolm.

Das Buch enthält eine Überraschung: Hinten im Buchdeckel ist ein Briefumschlag eingeklebt. Ein handgeschriebener Brief von Malcolm an Rain, seine große Liebe, ist darin enthalten. Ich habe ihn  erst zwischendurch beim Lesen entdeckt und ihn mir bis zum Ende aufgehoben.
Was ich noch toll finde, ist, dass über diese Briefe nicht nur gesprochen, sondern sie auch richtig abgebildet sind, eben ein richtiges Briefbuch.

Irene Oberthür: Mein fremdes Gesicht

Claudia B. kommt sehr, sehr langsam zu sich. Um sich herum hört sie Stimmen. Von einem zermatschten Auge ist die Rede. Dann hört sie die schrillen Töne der Schnellen Medizinischen Hilfe. Wachsein und Dunkelheit wechseln sich ab. Schmerzen im Mund, den Kopf am besten nicht bewegen, vom Nabel abwärts fehlt jedes Gefühl.
Claudia hatte einen Unfall. Ein Auto ist frontal auf sie zugefahren, sodass sie mit dem Gesicht vorneweg durch die Windschutzscheibe flog. Als Krankenschwester weiß sie eigentlich, wie sie sich als Patientin zu verhalten hat. Eigentlich. Noch hat sie keinerlei Vorstellungen ihrer Verletzungen im Gesicht. Sie weiß nicht, wie sie aussieht. Und als sie sich endlich im Spiegel sehen darf, ist sie am Boden zerstört.
Der erste Gedanke ist: Sterben, so will sie nicht leben.
Und doch lebt sie. Von einem Tag zum anderen. Der Körper erholt sich so weit, dass sie nicht mehr auf der Intensivstation bleiben will. So wird sie in ein Mehrbettzimmer verlegt, in dem sie es kaum aushält. Frühzeitig verlässt sie die Klinik und geht nach Hause. An ihrem letzten Tag im Krankenhaus schreibt sie ins Brigadetagebuch der Station: "Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges Mal gegeben..." Wer "Wie der Stahl gehärtet" von Nikolai Ostrowski gelesen hat, wird sich sicher an diese Worte erinnern.
Doch nun beginnt der Kampf. Jeden Tag aufs Neue... Und wie sie kämpft, finde ich bewunderungswürdig. Es gibt Rückschläge, die sie meistern muss, um wieder ins Leben zurückzufinden.

Senta Berger: Ich habe ja gewußt, daß ich fliegen kann

Was für eine Frau. Senta Berger bewundere ich schon lange, als Schauspielerin und als Frau. Wobei: Als Frau kenne ich sie nur aus einigen Interviews aus diversen TV-Unterhaltungssendungen. Irgendwie kommt die Frau immer sympathisch rüber. Und sympathisch finde ich vor allem, dass sie ihr Buch alleine geschrieben hat. Der schöne Erzählstil, den ich aus den Interviews schon kenne, kommt auch in dem Buch sehr gut rüber. Sie erzählt über ihre Wiener Kindheit, staunt, was in Hollywood vor sich geht, hat Herzklopfen, wenn sie mit Größen wie Frank Sinatra, Kirk Douglas, Yul Brynner und anderen arbeitet. Und selbst, wenn sie mit jemandem nicht auf gutem Fuß steht, fällt kein gehässiges Wort.
Was fehlt, ist das Persönliche. Mann und Kinder hat sie ausgespart. Aber wer weiß, vielleicht hat Senta Berger ja noch was in der Schublade liegen.

Kristin Marja Baldursdóttir: Die Eismalerin

Ich hätte das Buch gerne mehr am Stück lesen mögen. Gar nicht mal, weil es besonders spannend war. Das reine Lesen des Buches hat mir besonderen Spaß gemacht. Es ist schön geschrieben. Ich hatte ein wenig Angst wegen der fremd klingenden Namen, aber mit der Zeit lesen sie sich flüssig und prägen sich auch ein.

Die verwitwete Steinunn Olafsdóttir hat sechs Kinder. Und selbst den Mädchen hat sie es ermöglicht, die Schule zu besuchen. Doch nun reicht das Geld nicht mehr und sie müssen dorthin, wo es welches zu verdienen gibt. Ans Meer, zum Fisch.
Während Karitas den Haushalt in der neuen Heimat ganz alleine schmiss, weil die Geschwister erst beim Fisch-Arbeiten waren und danach Schulen besuchten, wollte sie doch eigentlich nur malen. Bis eine Gönnerin der Mutter anbot, fünf Jahre für die Kosten an der Kunstakademie in Kopenhagen aufzukommen. Als das Geld aufgebracht war, musste Karitas wieder zurück, wollte neues Geld auftreiben. Ging wieder zum Fisch, bei dem es sich gut verdienen ließ. Doch der spielte ihr einen Streich. Er blieb einfach aus. Dafür lernte sie einen schönen Mann kennen, von dem sie sich verführen ließ. Als sie sich zu einer ihrer Schwestern auf den Hof verdingte, merkte sie, dass sie schwanger war. Was für ein Theater. Die Schwester, die seit fünf Jahren vergeblich auf Nachwuchs hoffte, nahm es ihr richtig übel und verlangt das Kind von ihr.
Doch eines Tages steht der Kindsvater vor der Tür und nimmt sie mit sich. In sein Haus, wie er erzählte...
Tja, in sein Haus ist gut gesagt. Als Karitas mit ihrem Mann Sigmar in seiner Heimat ankam, sah sie nur ein Torfhaus. Aber er hat was draus gemacht. Nach dem Tod seiner Mutter, hat er das Häuschen von Grund auf neu hergerichtet. Nur Wasser aus der Leitung gab es noch nicht.
Ihre Mutter schickte ein Paket mit ihren Malutensilien.
Eine Weile hatten sie gemeinsam, dann musste Sigmar wieder aufs Meer, Fisch fangen. Und Karitas wurde immer runder. Die Frauen in der Umgebung kümmerten sich. Eine kam mit ihren Töchtern ins Haus und nähte. Und je näher Karitas dem Entbindungstermin rückte, desto mehr Leute fanden sich rund um ihr Haus ein. In gebührendem Abstand, aber immer sie im Auge behaltend, um hilfreich zur Stelle zu sein.
Und so kam eines Tages Jón auf die Welt...

Im Klappentext steht, als Karitas Sigmar kennenlernt, stand sie vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens. Aber Entscheidungen hat sie eigentlich nicht getroffen. Irgendwie wurde sie immer getrieben und hat sich treiben lassen. Eine Entscheidung, die mich dann doch ein bisschen überrascht hat, fällt sie erst am Schluss der Geschichte.
Besonders schön fand ich die Beschreibung der Menschen und Landschaften.

Jurek Becker: Jakob der Lügner

Jurek Becker hat seine Kindheit im Ghetto und in verschiedenen KZs verbracht. Seine Mutter, obwohl nach dem Krieg schon in Freiheit, starb noch an Unterernährung. Sein Vater überlebte Auschwitz und fand seinen Sohn. Ungefähr 20 Familienmitglieder waren umgebracht worden.
Da sollte man wirklich meinen, dass Jurek Becker in seinem Buch weiß, worüber er schrieb. Er lässt einen Ich-Erzähler über Jakob berichten. Dieser Ich-Erzähler lebte gemeinsam mit Jakob und vielen anderen in einem polnischen Ghetto in einer unbekannten Stadt.
Als Jakob Mischa, einem jungen Burschen, bei der Arbeit beim Bahnhof das Leben retten will, weil der eine ungeheure Dummheit begehen wollte (er wollte nämlich Kartoffeln aus einem Waggon stehlen), schafft er es nur ihn davon abzuhalten, indem er ihm erzählt, dass die Russen schon 20 Kilometer vor Bezanika sind.
Auf die Frage, woher er das wisse, sagt er, er habe ein Radio.

Was natürlich nicht stimmt. Aber Jakob kommt nicht mehr dazu, schnell ein klärendes Wort mit Mischa zu reden, nachdem er ihn von den Kartoffeln abgelenkt hatte, und so macht diese Nachricht wie ein Lauffeuer die Runde durchs Ghetto. Und Jakob ist nun gezwungen, jeden Tag eine neue gute Nachricht aus dem Hut zu zaubern.

Jurek Becker hat einen wunderbaren Schreibstil. Er erzählt, wie die Menschen in dem Ghetto gelebt haben. Wie sie jeden Tag versuchten, etwas Normalität in ihr Leben zu bringen, und doch täglich Angst haben mussten, zum Transport abgeholt zu werden.

Patrick Swayze und Lisa Niemi: The Time of my Life: Die Geschichte meines Lebens

Patrick Swayze ist einer meiner Lieblingsschauspieler. Im Gegensatz zu vielen anderen mag ich auch seine Filme vor „Dirty Dancing“. Für mich ist er ein echter Mime gewesen. Ich habe schon so viel über ihn gelesen, dass ich sehr gespannt darauf war, was er selbst über sein Leben zu berichten hat. Und nach Beendigung des Buches stimme ich seinem Satz "Ich habe mehr Leben gelebt als zehn Menschen zusammen" voll zu.
Schon während der Highschool-Zeit verletzte er sich sein Knie so schwer, dass der Traum vom Footballspielen aus war. In seinem weiteren Leben sollten aufgrund dieser Verletzung noch weitere Träume platzen.
Patrick Swayze ist ein wunderbarer Schauspieler, aber im Grunde seines Herzens war er am liebsten Tänzer: 


Ich machte zwar viele Dinge gern, aber nur Tanzen gab mir das Gefühl von vollständiger emotionaler und körperlicher Freiheit, das meinen Geist in alle Richtungen gleichzeitig aufsteigen ließ. Es ist schwer, die reine Freude und Erfüllung, die Tanzen schenken kann, in Worte zu fassen. Aber ich wusste, dass ich nie damit aufhören wollte.

Er wollte als Ballett-Tänzer an der Weltspitze stehen. Doch eines Tages entging er nur knapp einem Unfall:


Ich hatte mir den Arsch aufgerissen, den Schmerz niedergekämpft und die Signale meines rebellierenden Körpers beständig ignoriert – aber all das hätte nicht mehr gezählt, wenn ich bei dem Unfall verletzt worden wäre.

Um nicht in tiefe Depression zu fallen, beschäftigte er sich mit verschiedenen spirituellen Strömungen, Philosophie und Buddhismus und musste dann herausfinden, welchen Traum er als nächsten leben wollte.
Er begann ein Schauspielstudium...

Ich könnte noch weiterschwärmen, doch ich möchte nicht zu viel verraten.

Heide Koehne: Der Buchladen

Die Autorin stammt aus meiner Region, aus Papenburg und wurde 1948 geboren. Dies ist ihr vierter Roman. Sie ist Schauspielerin und arbeitet seit mehreren Jahren für den Spiegel-Verlag.
Auf dem Cover ist der Eingang und das Schaufenster eines Buchladens zu sehen. Halb in der Sonne, halb im Schatten liegend. Dieser Kontrast passt zu der Stimmung des Buches.

Gertrud, elf Jahre jung, erzählt uns über ihr Leben. Die lieblose Mutter nimmt da einen großen Platz ein. Ein paar Jahre nach dem Krieg eröffnet die Mutter, die schon immer in einem Buchladen arbeiten wollte, einen Leihbuchladen. Für ein paar Pfennige können sich die Leute da Bücher ausborgen. Gertrud ist sich meistens selbst überlassen. Sie ist nicht gut in der Schule, futtert ihren Kummer in sich hinein und wird immer dicker, was ihr permanent zu schaffen macht.
Der Vater wohnt in einer anderen Stadt, die Eltern führen eine Wochenendehe, bis er eine andere Frau kennenlernt und die Mutter um die Scheidung bittet. Doch die weigert sich. Aber sie geht nun ab und zu mit Männern aus oder mit der Nachbarin Fräulein Lakaschus, mit der sie sich anfreundet.
Und dann tritt Ludwig Herz auf den Plan, der in der Leihbücherei für seine kranke Mutter Bücher ausgeliehen hat. Er bringt die letzten Bücher schon frühzeitig zurück, da seine Mutter gestorben ist.
Und eines Abends geht Gertruds Mutter mit ihm aus. Doch diesmal ist es irgendwie anders. Sie macht sich viel feiner als bei den anderen Männern und sie ist richtig aufgeregt. Und am nächsten Morgen kommen Eier zum Frühstück in die Pfanne. Dabei aß sie bisher wie ein Vögelchen und Gertrud musste kochen, damit die Mutter überhaupt etwas zu sich nahm.
Eines Tages macht Gertrud eine Entdeckung und es gibt eine Wendung in ihrem und ihrer Mutter Leben.

Das Buch hat sich schnell weggelesen. Ein wenig war ich enttäuscht, da ich dachte, es passt zu meinem Lieblingsgenre Bücher über Bücher. Aber dieses Thema spielte nur am Rande eine Rolle. Das Buch ist ja aus Sicht der elfjährigen Gertrud geschrieben. Mich wundert ein bisschen, wie ruhig sie alles so hinnimmt. Die Mutter, die ihr nicht so die Liebe geben kann, wie es eine Mutter vielleicht tun sollte. Oder auch die Hänseleien der Klassenkameraden, ihr Dicksein.
Ich sehe viele Gemeinsamkeiten zwischen Gertrud und mir, aber ich war damals voller Emotionen. Traurigkeit, Wut, Hilfslosigkeit, das habe ich alles empfunden. Davon ist bei Gertrud kaum etwas zu merken.
Zwischenzeitlich hatte ich mal kurz die Befürchtung, dass da noch Kindesmissbrauch mit ins Spiel kommt. Dem war aber nicht so, wie ich beruhigt feststellen konnte.

Alles in allem gefiel mir das Buch ganz gut.